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Channel: gelöste Kryptogramme – Cipherbrain

Blog-Leser Norbert Biermann löst Verschlüsselung aus dem Ersten Weltkrieg

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Wer löst diese ADFGVX-Verschlüsselung?”, fragte ich im Dezember 2014. Norbert Biermann aus Berlin hat das Kryptogramm aus dem Ersten Weltkrieg nun geknackt.

Im März 1918 herrschte bei der französischen Funkaufklärung helle Aufregung. Die Funksprüche der Deutschen, die sie abhörten, enthielten nur noch die Buchstaben A, D, F, G und X. Offensichtlich nutzten die Deutschen ein neues Verschlüsselungsverfahren. Die Franzosen nannten es ADFGX.

Die Franzosen hatten damals einen exzellenten Codeknacker namens Georges Painvin in Ihren Reihen, und dieser konnte nicht nur innerhalb von einigen Wochen nachvollziehen, wie das ADFGX-Verfahren funktionierte, sondern fand auch eine Dechiffrier-Methode.

Painvin

Im ADFGX-Verfahren stehen jeweils zwei Geheimtext-Buchstaben für einen Klartext-Buchstaben. Wie man sich leicht klarmacht, kann man mit Paaren bestehend aus A, D, F, G und X insgesamt 25 Buchstaben kodieren. Später nahmen die Deutschen noch das V dazu, wodurch das (ansonsten gleich funktionierende) ADFGVX-Verfahren entstand. Eine Beschreibung der beiden Methoden und ihrer Geschichte findet sich bei Wikipedia oder in meinem Buch Codeknacker gegen Codemacher (3. Ausgabe).

Eine Original-Nachricht aus dem Ersten Weltkrieg

Ähnlich wie bei anderen Verschlüsselungsverfahren des Ersten und Zweiten Weltkriegs sind auch bei ADFGX und ADFGVX nur sehr wenige bis gar keine Original-Funksprüche bekannt. Immerhin einen konnte ich ausfindig machen: Im Buch Codes and Ciphers von Peter Way aus dem Jahr 1977 ist ein ADFGVX-Telegramm abgebildet. Hier ist es:

ADFGVX

Zunächst konnte niemand dieses Kryptogramm knacken. Auch George Lasry, der eine Lösungsstrategie für ADFGVX entwickelt hat, musste passen, da der Text zu kurz dafür ist.

Zu meiner großen Überraschung erhielt ich vor ein paar Tagen dann doch die Lösung: Norbert Biermann aus Berlin hatte den zugehörigen Klartext ermittelt. Leider ist dieser nicht ganz so spektakulär. Erlautet:

GRUPPE X LAGE UNVERANDERT 6 X B X R X D

6 X B X R X D X steht laut Blog-Leser Max Baertl für die 6. Bayrische Reserve Division, die im Ersten Weltkrieg an der Westfront kämpfte.

Ich kann nur sagen: Vielen Dank und herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Leistung!

Der Weg zur Lösung

Doch wie ist Norbert Biermann auf die Lösung gekommen? Ich habe ihn angemailt, und er hat mir dankenswerterweise einen ausführlichen Bericht geschickt.

Zunächst einmal hat Norbert Biermann versucht, möglichst viele Hintergrundinformationen zu sammeln. Er machte sich über das ADFGVX-System schlau und besorgte sich ein Exemplar von Peter Ways Buch. Auf der Abbildung in Letzterem ist nicht nur das obige Telegramm zu sehen, sondern auch ein Notiz- bzw. Arbeitsbuch mit weiteren (unvollständigen) ADFGVX-Nachrichten, das Georges Painvin gehörte. Folgende Dinge fielen Norbert Biermann auf:

  • Oben auf der aufgeschlagenen Seite des Arbeitsbuches steht “Groupes de 6 lettres. 1 Juin 1918″. Dies könnte bedeuten, dass das Telegramm von diesem Tag stammt. Dies wäre ein großer Vorteil, denn an diesem Tag wurde das berühmte “Radiogramme de la Victoire” verschickt, das in der Literatur beschrieben wird und dessen Schlüssel bekannt ist.
  • Painvin hat im Notizbuch die Transpositionsspalten der Nachrichten markiert und mit den Zahlen von 1 bis 21 beschriftet. Folglich scheint er eine Schlüssellänge von 21 angenommen zu haben. Auch das besagte “Radiogramme de la Victoire” vom 1.6.1918 hat einen 21-stelligen Transpositionsschlüssel.

Damit hatte Norbert Biermann einige Indizien beisammen, die darauf hindeuteten, dass das Kryptogramm mit dem “Radiogramme de la Victoire”-Schlüssel vom 1.6.1918 chiffriert wurde. Das Dumme war nur: Beim Entschlüsseln mithilfe der Website http://www.dcode.fr/adfgvx-cipher kam nur Buchstabensalat heraus.

An diesem Punkt beschloss Norbert Biermann, zweigleisig fortzufahren: Einerseits versuchte er, per Bibliotheks-Recherche herauszufinden, ob jemals noch weitere Originalschlüssel von 1918 publiziert wurden. Andererseits begann er, ein Programm zu entwickeln, mit dessen Hilfe er versuchen wollte, die Nachricht zu knacken (dabei sollten die weiteren ADFGVX-Nachrichten aus dem Buch helfen, auch wenn diese nur unvollständig abgebildet waren).

Beim Ausführen des Programms fiel ihm auf, dass dieses andere Ergebnisse als die Web-Seite lieferte – letztere arbeitete anscheinend nicht korrekt.

Außerdem zeigte sich: Mit Biermanns eigenen Programm und dem “Radiogramme de la Victoire”-Schlüssel kam ein sinnvoller Text heraus: GRUPPE X LAGE UNVERANDERT 6 X B X R X D. Damit war das Rätsel gelöst.

“Vertraue keinem Programm, das du nicht selbst geschrieben hast ;-)”, lautet Norbert Biermanns Fazit.

Norbert Biermann bezeichnet sich als interessierter Laie auf dem Gebiet der Kryptologie. Hauptberuflich arbeitet er als Pianist und Hochschulprofessor. In Klausis Krypto Kolumne hat er schon so manchen interessanten Kommentar abgegeben. Dazu gehört beispielsweise sein Lösungsvorschlag zum Augusti-Kryptogramm, der auf viele in der Staatsbibliothek Berlin verbrachte Stunden zurückgeht. Auch nach meinem vorgestrigen Blog-Artikel (über die Verschlüsselungen von Lavater) musste ich nicht lange auf die Lösung warten – Norbert Biermann fand sie innerhalb von Stunden.

Zum Weiterlesen: Wer löst den Geheimcode eines Tresorknackers?

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Die verschlüsselte Nachricht der Schauspielerin Diana Dors

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Die englische Schauspielerin Diana Dors hinterließ einen verschlüsselten Text. Dieser soll zu zwei Millionen Pfund führen, die sie irgendwo deponiert hat.

Die Schauspielerin Diana Dors (1931-1984) galt einst als die britische Marilyn Monroe. In mehreren Dutzend Filmen verkörperte sie eine verführerische Blondine, und auch ihr Privatleben war dem einer Filmdiva würdig. Diana Dors starb mit 52 Jahren an Krebs. Das folgende Bild zeigt sie mit Rudi Carrell.

Dors-2

Diana Dors’ verschlüsselte Nachricht

Am vergangenen Dienstag nahm ich in Warschau an einem Symposium zur Geschichte der Enigma teil. Dort traf ich unter anderem den britischen Kryptologen Andrew Clark von der University of London (auf dem Foto ist er in der Mitte abgebildet, links ist Dermot Turing, der Neffe von Alan Turing, zu sehen).

Warsaw-Turing-Clark-Schmeh

Andrew Clark erzählte mir eine Geschichte, die ich noch nicht kannte. Diana Dors, so berichtete er, habe etwa eineinhalb Jahre vor ihrem Tod ihrem Sohn einen verschlüsselten Zettel übergeben. Auf diesem war angeblich notiert, wo sich etwa zwei Millionen Pfund befanden, die Dors irgendwo deponiert hatte. Diana Dors war zu diesem Zeitpunkt bereits an Krebs erkrankt und rechnete wohl damit, nicht mehr lange zu leben. Details zu dieser Geschichte werden in einer britischen Fernseh-Dokumentation erzählt, auf die ich am Ende des Artikels eingehe. Aus dieser Dokumentation stammt das folgende Bild des verschlüsselten Zettels (ein besseres habe ich nicht).

Dors-cryptogram

Diana Dors Sohn Mark Dawson versuchte erst nach dem Tod seiner Mutter, das Kryptogramm zu entschlüsseln. Angeblich hatte Dors’ dritter und letzter Ehemann Alan Lake den Schlüssel dazu. Dieser überlebte Dors jedoch nur um sechs Monate. Dawson musste daher versuchen, die Verschlüsselung ohne Insider-Informationen zu knacken.

Hätte Dawson Klausis Krypto Kolumne gelesen (die es damals allerdings noch nicht gab), dann hätte er schnell erkannt, dass die erste Zeile eine Freimaurer-Verschlüsselung ist (siehe zum Beispiel hier).

Dors-Pigpen

Nach einigen Recherchen konnte Dawson die Verschlüsselung schließlich auch ohne Klausis Krypto Kolumne lösen. Hier ist der Schlüssel:

Dors-Pigpen-key

Der Klartext lautet (mit ergänzten Leerzeichen): LOCATIONS AND NAMES

Doch was hatte es mit dem Rest des Kryptogramms auf sich? Hier ist eine Transkription:

EAWVL XEIMO RZTIC SELKM KMRUQ
QPYFC ZAOUA TNEYS QOHVQ YPLYS
OEOEW TCEFY ZZEPI NYAUD RZUGM
SSONV JDAER SZNVS QSHRK XPVCC
WUAEJ JTWGC WQRCC NRBKZ VIITF
RZLTS VOAIB NQZOK VANJJ TFAJO
GYUEB XZHRY UFSDM ZEBRK GIECJ
QZHFY QBYVU FNEGD EDIXF YZHOM
PMNLQ XFHFO UXAEB HZSNO EAUIL
JXIWD KTUDN MCCGC EURDG SRBCW
GMNKC RLHER HETVP GWOGC WANVJ
NGYTZ RALTM TAYTL UUSKM QIRZH

Mit dieser Verschlüsselung konnte Dawson nichts anfangen. Er holte sich daher professionelle Hilfe in Form von drei britischen Kryptologen (einer davon war Andrew Clark, der mir die Geschichte diese Woche erzählte).

Der Klartext gibt Rätsel auf

Statistische Untersuchungen sprachen für eine Vigenère-Chiffre. Der Schlüssel war jedoch nicht LOCATIONS AND NAMES, wie man vermuten könnte, sondern DMARYFLUCK (abgeleitet von Dors bürgerlichem Namen Diana Mary Fluck). Die erste Zeile entschlüsselte sich damit wie folgt:

Geheimtext: EAWVL XEIMO RZTIC SELKM KMRUQ
Schlüssel:  DMARY FLUCK DMARY FLUCK DMARY
Klartext:   BOWEN STOKE ONTRE NTRIC HARDS

Insgesamt entwpuppte sich der Klartext als eine Liste von Nachnamen, jeweils gefolgt von einer Stadt in England oder Wales:

  • Bowen, Stoke On Trent
  • Richards, Leeds
  • Woodcock, Winchester
  • Wilson, York
  • Downey, Kingston Upon Hull
  • Grant, Nottingham
  • Sebastian, Leicester
  • Leigh, Ipswich
  • Morris, Cardiff
  • Mason, Slough
  • Edmundson, Portsmouth
  • Padwell, London
  • Pyewacket, Brighton
  • McManus, Sunderland
  • Coyle, Bournemouth
  • Humphries, Birmingham
  • Dante, Manchester
  • Bluestone, Liverpool
  • Cooper, Bristol

Über die Bedeutung dieser Liste habe ich keine weiteren Informationen gefunden. Auch die Fernseh-Dokumentation gibt keinen Aufschluss. Allem Anschein nach hat Diana Dors’ Sohn die Millionen bisher nicht gefunden. Es ist auch unklar, ob die Schauspielerin überhaupt so viel Geld hinterlassen konnte. Sie verdiente zwar sehr gut, konnte jedoch schlecht mit Geld umgehen und musste nach ihrer Karriere einen Offenbarungseid leisten.

Wer dennoch eine Idee hat, was die Namensliste bedeutet oder wie man sonst weiterkommen könnte, möge sich melden.

Hier ist der Fernseh-Dokumentation (Andrew Clark ist mehrfach darin zu sehen):

Zu dieser Sendung gab es auch eine Web-Seite, die inzwischen jedoch nur noch über das Internet-Archiv zugänglich ist.

 Zum Weiterlesen: Der Schatz und das Kryptogramm des Piraten “La Buse”

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Verschlüsselung auf Kryptos-Modell geknackt

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Die Kryptos-Inschrift ist die bekannteste verschlüsselte Nachricht der letzten Jahrzehnte. Vor Kurzem ist ein altes Modell der Kryptos-Skulptur aufgetaucht. Dessen Inschrift wurde nun gelöst.

Die Inschrift der Skulptur Kryptos ist die wohl bedeutendste ungelöste Verschlüsselung, die in den letzten drei Jahrzehnten entstanden ist. Genau genommen ist lediglich der vierte Teil dieser Inschrift noch nicht entschlüsselt, während die ersten drei längst dechiffriert wurden. Noch immer versuchen ganze Heerscharen von Rätsel-Fans, der Lösung auf die Spur zu kommen.

Das Modell

Vor vier Wochen war ich bei einem Kryptos-Workshop in den USA (ich habe darüber berichtet). Dort präsentierte der Kryptologe Ed Scheidt, einer der beiden Väter der Kryptos-Verschlüsselung, ein Kryptos-Modell in der Größe eines Schuhkartons. Anscheinend hat Kryptos-Schöpfer Jim Sanborn dieses Modell selbst hergestellt und im Jahr 1988 an Ed Scheidt übergeben.

Kryptos-2015-020

Dieses Modell war in der Kryptos-Szene bis dahin unbekannt. Es hat in den letzten Wochen auf der Kryptos-Mailing-Liste für einigen Wirbel gesorgt. Interessant daran ist: Die Aufschrift ist eine andere als auf dem Original. Oben links liest man folgendes:

ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVW
BCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWX
CDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXY
...
LMNOPQRSTUVWXYZABCDEFGH
MNOPQRSTUVWXYZABCDEFGHI

Dies ist recht unspektakulär – das (gekürzte) Alphabet jeweils um einen Buchstaben verschoben.

Unten links und oben rechts steht jeweils:

GIRASOLBCDEFHJKMNPQTUVWXYZ
IRASOLBCDEFHJKMNPQTUVWXYZG
RASOLBCDEFHJKMNPQTUVWXYZGI
...
JKMNPQTUVWXYZGIRASOLBCDEFH
KMNPQTUVWXYZGIRASOLBCDEFHJ

Erneut handelt es sich um das Alphabet (dieses Mal vollständig) mit einer stetigen Verschiebung. Allerdings sind die Buchstaben jeweils mit Hilfe des Worts GIRASOL (Sonnenblume) umgeordnet.

Der verschlüsselte Text

Unten rechts auf dem Modell steht ein verschlüsselter Text:

TIJVMSRSHVXOMCJVXOENA
KQUUCLWYXVHZTFGJMKJHG
DYRPMASMZZNAKCUEURRHJ
KLGEMVFMOKCUEURKSVVMZ
YYZIUTJJUJCZZITRFHVCT
XNNVBGIXKJNZFXKTBVYYX
NBZYIAKNVEKPYZIUTJYCA

Selbstverständlich haben sich sofort einige Kryptos-Enthusiasten auf dieses Kryptogramm gestürzt. Inzwischen ist die Lösung (bis auf einen kleinen Rest) bekannt. Unter anderem hat Blog-Leser Narga sie gefunden und dankenswerterweise in den Kommentaren zu meinem letzten Kryptos-Artikel veröffentlicht. Auf die Codeknacker-Fähigkeiten meiner Leser war also einmal mehr Verlass! Auch der Kryptos-Workshop-Teilnehmer Bill Briere hat mir freundlicherweise die Lösung zukommen lassen.

Das verwendete Verschlüsselungsverfahren entpuppte sich als Vigenère-Verschlüsselung mit dem Schlüssel RUG. Hier ist der Klartext:

CODESMAYBEDIVIDEDINTU
TWODIFFERENTCLASSESNA
MELYSUBSTITUTIONALAND
TRANSPOSITIONALTYPEST
HETRANSPOSITIONALBEIN
GTHEHARDESTTODECHPHER
WHTHOUTTPNQJHFCDZDHIU

Korrigiert man ein paar Fehler, dann ergibt sich:

Codes may be divided into two different classes — namely, substitutional and transpositional types (the transpositional being the hardest to decipher without the key).

Unklar ist jedoch, was die letzten neun Buchstaben bedeuten. Sie lauten verschlüsselt YZIUTJYCA bzw. ETRANSEWJ im Klartext. Möglicherweise handelt es sich nur um bedeutungslosen Fülltext. Oder ist in diesen Zeichen noch einmal etwas verschlüsselt? Vielleicht hat ein Leser eine Idee.

Zum Weiterlesen: Die rätselhaften Altar-Inschriften von Moustier

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Spektakulärer Flohmarkt-Fund: Verschlüsseltes Buch ist gelöst!

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Auf meine Leser konnte ich mich wieder einmal verlassen. Vor vier Tagen habe ich ein mysteriöses verschlüsseltes Buch vorgestellt, heute kann ich die Lösung präsentieren.

Es begann am 26. Dezember 2015. Das Christkind hatte gerade seine Heimreise angetreten, als ich eine E-Mail von einem Walter C. Newman aus Virginia erhielt. Herr Newman berichtete von einem verschlüsselten Buch, das er auf einem Flohmarkt im Shenandoahtal (Virginia) erworben hatte. Das Krypto-Museum der NSA hatte ihn auf mich verwiesen.

Schon bevor ich die Buch-Scans gesehen hatte, hatte ich einen Verdacht. Wenn irgendwo ein verschlüsseltes Buch auftaucht, über dessen Hintergrund nichts bekannt ist, handelt es sich meist um eine Memorierhilfe der Freimaurer (oder einer ähnlichen Organisation). Bei den Freimaurern spielen zahlreiche Rituale eine Rolle, die früher meist geheimgehalten wurden. Solche Rituale wurden oft in Büchern festgehalten, wobei viele Wörter stark gekürzt oder durch Symbole ersetzt wurden. Hier ist ein Beispiel:

00061-Senator

Auf meiner Encrypted Book List finden sich zahlreiche weitere Bücher dieser Art (00018, 00040, 00049, 00051, 00053, 00054, 00058, 00067, 00068, 00069, 00070). Vermutlich gibt es noch viel mehr.

Die Kürzungen und Ersetzungen in den Ritual-Beschreibungen sollten zum einen verhindern, dass Unbefugte die Bücher lasen. So gesehen geht es hier um eine Art der Verschlüsselung. Andererseits ist eine eindeutige Entschlüsselung meist nicht möglich, da durch die Kürzungen Informationen verloren gehen. Es handelt sich daher nicht um eine Verschlüsselung im üblichen Sinne.

Eine Memorierhilfe, die für einiges Rätselraten gesorgt hat, bevor meine Leser schließlich die Lösung fanden, ist das Action-Line-Kryptogramm. Es stand auf Platz 24 in meiner Liste der ungelösten Krypto-Rätsel.

 

Das Lane-Manuskript

Als ich mir die Scans von Walter C. Newmans Flohmarkt-Fund ansah, sah ich meinen Verdacht zunächst einmal nicht bestätigt. Der Text sah völlig anders aus als eine Freimaurer-Memorierhilfe (hier gibt es das gesamte Buch  als Download). Ich tippte eher auf eine Art Tagebuch. Ich nannte das Buch “Lane-Manuskript”.

Lane-Manuscript-page_13

Das Alter des Lane-Manuskripts lässt sich eingrenzen. Die im Buch auf einem Stempel erwähnte Firma E. J. Lane existierte von etwa 1840 bis 1880. Die ebenfalls erwähnte Zeitung New York Tribune gab es unter diesem Namen zwischen 1841 und 1924. Blog-Leser Ralf Bülow fand einen weiteren Hinweis: Der Satz “The curculio fly will be attracted” aus dem Zeitungsausschnitt führt via Google zu zwei Zeitungen, die im Mai 1892 erschienen. Das Buch muss also danach entstanden sein. Insgesamt würde ich auf eine Entstehungszeit zwischen 1892 und 1900 tippen.

Auch die Herkunft des Buchs liegt nicht völlig im Dunkeln. Das Unternehmen E. J. Lane hatte seinen Sitz in New Hampshire. Aufgetaucht ist das Buch auf einem Flohmarkt in Virginia. Sofern das Lane-Manuskript keine großen Umwege genommen hat, stammt es aus dem Nordosten der USA.

Am 5. Januar veröffentlichte ich einen Artikel über das Lane-Manuskript auf Klausis Krypto Kolumne.

 

Des Rätsels Lösung: wie Schuppen von den Augen

Nach Veröffentlichung des Artikels gingen schnell einige Kommentare ein. Der Leser flohansen schrieb:

Einführungsritual für Niedriggrad-Freimaurer. Der “entered apprentice” ist der Neuling, die Sitzungen der Loge werden als “work” bezeichnet. Im Beispielbild: Dialog zwischen SD= Senior Deacon und JD= Junior Deacon Hi= He is etc.

Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das Lane-Manuskript sah eben doch aus wie eine Freimaurer-Memorierhilfe. Der einzige Unterschied: Alle mir bisher bekannten Freimaurer-Memorierhilfen sind gedruckt. Das Lane-Manuskript ist dagegen von Hand geschrieben.

Der Leser Norbert Biermann fand sogar eine Freimaurer-Web-Seite, auf der eine halbwegs zum Lane-Manuskript passende Ritual-Beschreibung aufgeführt ist. Er schrieb folgendes:

Schaut mal hier:

http://www.phoenixmasonry.org/degreesoffreemasonry/Entered_Apprentice_Examination.htm

Die dort beschriebenen Frage-Antwort-Spielchen beim [Freimaurer-]Aufnahmeritual lassen sich, großenteils wortwörtlich, auf unser Kryptogramm anwenden. Die meisten Worte werden durch ihren ersten Buchstaben (manchmal mehrere) abgekürzt, plus einige spezielle Abkürzungen, wie + für “and” und das Rechteck für “lodge”/Loge (das hatten wir schon beim Augusti-Kryptogramm). Nehmen wir Seite 3b, ab der zweiten Zeile (“W c y a E A”)

Whence came you, (“a” unklar) entered apprentice?
From a lodge of the Holy Saints John of Jerusalem.
What came you here to do?
To learn to subcue my passions and and improve myself in Masonry.
I presume that (or then) you are a Mason?
I am so taken and accepted among Brethren an Fellows.
What makes you a Mason?
My obligation.
How do you know yourself to be a Mason?
By having been (“o” unklar) tried, never denied, and am ready to be tried again.

Der Leser Freemason wies auf eine weitere Seite dieser Art hin.

Damit war das Rätsel gelöst. Das Lane-Manuskript ist also eine handschriftliche Freimaurer-Memorierhilfe. Der Inhalt besteht aus Ritualbeschreibungen. Die von Norbert Biermann aufgeführten Textpassagen geben einen Eindruck vom Klartext. Norbert Biermann hat dankenswerterweise sogar die erste Seite übersetzt.

 

Warum von Hand?

Bleibt noch die Frage, warum das Lane-Manuskript von Hand geschrieben ist. Ich sehe drei mögliche Erklärungen:

  • Das Lane-Manuskript wurde von einem gedruckten Buch abgeschrieben. Bevor es Fotokopierer gab, war dies oft die einzige Möglichkeit, einen Text zu kopieren.
  • Das Lane-Manuskript war als Vorlage für ein gedrucktes Buch gedacht.
  • Das Lane-Manuskript wurde von Hand geschrieben, weil keine Druckmaschine zur Verfügung stand.

Insgesamt bin ich wieder einmal beeindruckt, wie schnell meine Leser das Rätsel gelöst haben. Vielen Dank daher (auch  im Namen von  Walter C. Newman) an Ralf Bülow, Norbert Biermann, flohansen und alle anderen Kommentatoren. So macht das Bloggen Spaß.

Zum Weiterlesen: Cylob-Manuskript: Ein ungelöstes Rätsel

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Top-25-Krypto-Rätsel wahrscheinlich gelöst (Teil 1)

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So viel Spürsinn würde Sherlock Holmes alle Ehre machen. Blog-Leserin Julia Bernotat hat die (wahrscheinliche) Lösung eines Rätsels gefunden, das aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Vor zwei Jahren stellte ich in Klausis Krypto Kolumne die 25 (meiner Meinung nach) bedeutendsten ungelösten Verschlüsselungen vor (siehe hier). Immerhin zwei davon wurden inzwischen gelöst: das Action-Line-Kryptogramm und die Doppelwürfel-Challenge.

Heute kann ich die Lösung des dritten Top-25-Rätsels verkünden!

 

Der unbekannte Autor

Es geht um das „Konkordientag-Kryptogramm“, das ich damals auf Position 20 in meiner Top-25-Liste präsentierte. Entdecker dieses Rätsels ist der Münchener Krypto-Experte und Comedy-Hacker Tobias Schrödel. Tobias kennt sich sehr gut mit Kryptologie-Büchern aus allen Epochen aus.

Tobias fiel vor einigen Jahren auf, dass der Autor des Buchs Die Kunst, geheime Schriften zu entziffern (1808 in Leipzig erschienen) seinen Namen nicht nannte. Stattdessen gab er „ ; + 1 Λ + o.“ als Autorenname an.

Unknown-Author

Anscheinend handelt es sich um eine Verschlüsselung (transkribiert lautet sie: ABCDBE, sofern man den abschließenden Punkt nicht als eigenen Buchstaben wertet). Der von mir gewählte Name „Konkordientag-Kryptogramm“ bezieht sich auf die Datumsangabe hinter dem dem verschlüsselten Namen.

Tobias Schrödel reichte dieses Verschlüsselungsrätsel bei MysteryTwister C3 ein. MysteryTwister C3 ist eine Plattform für kryptografische Rätsel aller Art. Das Konkordientag-Kryptogramm kam in die Kategorie X, also zu den ungelösten Verschlüsselungen.

Als ich über MysteryTwister C3 zum ersten Mal von diesem Kryptogramm erfuhr, übernahm ich es in die besagte Top-25-Liste. Heute, zwei Jahre später, würde ich diese Liste sicherlich anders gestalten (ich bin in der Zwischenzeit auf viele weitere interessante Kryptogramme gestoßen), doch das Konkordientag-Kryptogramm würde ich nach wie vor aufführen.

Dabei war klar: Für das Konkordientag-Kryptogramm gibt es (sofern man von einer einfachen Buchstabenersetzung ausgeht) keine eindeutige Lösung, da viele Wörter zum Muster ABCDBE passen. Mögliche Nachnamen wären beispielsweise BECKER, CAESAR, ERHARD oder HERMES. Das Rätsel war also nur zu lösen, wenn man weitere Informationen hinzunehmen konnte. Man konnte insbesondere nach einer Person Ausschau halten, die einen passenden Namen hatte, zur richtigen Zeit lebte und sich für Kryptologie interessierte.

 

Die (wahrscheinliche) Lösung

Vor vier Wochen erhielt ich eine E-Mail von Blog-Leserin Julia Bernotat.

Bernotat-small

Sie schrieb, sie habe das Rätsel um den unbekannten Autor gelöst!

Ich war allerdings skeptisch, denn ich habe schon viele falsche Lösungen zu irgendwelchen Krypto-Rätseln erhalten.

Als ich mir Frau Bernotats Ausarbeitung anschaute, war ich erstaunt. Ich hatte eigentlich einen kurzen Text mit ein paar Argumenten erwartet. Stattdessen fand ich eine Abhandlung, die sich über Dutzende von Seiten erstreckte. Nun ist Masse zwar nicht immer gleich Klasse, doch in diesem Fall stellte ich fest: Julia Bernotat hatte großartige Arbeit geleistet. Ihre Herangehensweise hätte Sherlock Holmes vor Neid erblassen lassen.

Bernotat-Arbeit-2

Zunächst einmal vermutete auch Frau Bernotat, dass der abschließende Punkt im Sechs-Buchstaben-Kryptogramm keinen eigenen Buchstaben darstellt. Sie schreibt: „Im ‚Leipziger Adreß- Post- und Reisekalender auf das Jahr ….‘ und im Dresdner Kalender der damaligen Zeit steht nach den voll ausgeschriebenen Namen häufig ein Punkt. Die Symbole ; + 1 Λ + o haben alle den gleichen Abstand voneinander, während zwischen dem o und dem Punkt kaum ein Abstand ist. Also kann man annehmen, dass der Punkt nicht zum Namen gehört.“ Mit ihrem Perfektionismus betrachtete Frau Bernotat dennoch die Hypothese, dass der Punkt ein eigener Buchstabe ist, doch das führte in eine Sackgasse.

Wer verbirgt sich also hinter den sechs Buchstaben? Laut Julia Bernotat handelt es sich um den sächsischen Physiker Georg Wilhelm Sigismund Beigel (1753-1837).

Der Nachname Beigel passt zum Muster ABCDBE. Auch die Lebensdaten sind plausibel. Dass Beigel in Sachsen lebte, passt zum Erscheinungsort des Buchs.

Reichen diese Indizien aus, um den Fall zu lösen? Natürlich nicht. Doch Frau Bernotat hat viele weitere Hinweise gefunden. Welche Puzzlesteine sich letztlich zusammenfügten und Beigel nach 200 Jahren fast wie in einem Indizienprozess als Autor überführten, lesen Sie (voraussichtlich übermorgen) im zweiten Teil dieses Artikels. Dann werde ich auch die vollständige Arbeit von Julia Bernotat präsentieren.

Zum Weiterlesen: Ein Autor namens “46, 9, 4-57, 3, 5”

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Top-25-Krypto-Rätsel wahrscheinlich gelöst (Teil 2)

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Der Autor eines Kryptologie-Buchs aus dem 19. Jahrhundert nannte seinen Namen nur verschlüsselt. Blog-Leserin Julia Bernotat hat nun die (wahrscheinliche) Lösung dieses Rätsels gefunden – mit einem Spürsinn, der Sherlock Holmes alle Ehre machen würde.

Wer verbirgt sich hinter dem verschlüsselten Namen „; + 1 Λ + o“? Blog-Leserin Julia Bernotat hat die mögliche Lösung gefunden. Wahrscheinlich handelte es sich um den sächsischen Physiker Georg Wilhelm Sigismund Beigel (1753-1837).

Unknown-Author

Julia Bernotat stammt aus Münster und lebt in Hochstetten bei Karlsruhe. Dass in der Region Karlsruhe kryptologisch Bedeutendes geleistet wird, ist nichts Neues, denn die Universität Karlsruhe (an der ich studiert habe) ist seit Jahrzehnten als Krypto-Hochburg bekannt. Allerdings hat Frau Bernotat damit wenig zu tun. Sie arbeitet bei einer Firma für Landschafts- und Gartenbau. Zur Kryptologie kam sie 2014 über das Krypto-Rätsel-Portal MysteryTwister C3.

Bernotat-614

Doch wie kommt Frau Bernotat darauf, dass Georg Beigel der gesuchte Autor ist? Es handelt sich um das Ergebnis akribischer Detektiv-Arbeit, die ich absolut beeindruckend finde. Die Details finden sich in einem Aufsatz, den es hier als Download gibt.

Bernotat-Arbeit-2

 

Ein Personenprofil

Julia Bernotat stellte zunächst alle Informationen zusammen, die sie über den unbekannten Autor herausfinden konnte (einzige Quelle war der Inhalt des Buchs). Die folgende Liste nennt die wichtigsten Punkte:

  • Der Nachname des Autors folgt dem Muster ABCDBE.
  • Der Autor hatte einen Bezug zur Region Leipzig (dort ist das Buch erschienen).
  • Der Autor interessierte sich für Kryptografie.
  • Der Autor war Protestant (der Begriff „Konkordientag“ ist protestantisch).
  • Der Autor ging sehr sorgfältig und systematisch vor.
  • Der Autor war ein Anhänger der Aufklärung und war gebildet.
  • Der Autor war Freimaurer.
  • Der Autor hatte sehr gute chemische Kenntnisse.
  • Der Autor hatte ein starkes Interesse an Sprachwissenschaft und/oder Orientalistik.
  • Der Autor konnte fließend Latein lesen.

Im nächsten Schritt wählte Julia Bernotat aus einer Datenbank von 35.000 deutschen Nachnamen diejenigen aus, die auf das Muster ABCDBE passen. Mit Hilfe von Wikipedia suchte sie alle bedeutenden Persönlichkeiten heraus, die einen dieser Nachnamen tragen. Für jede Persönlichkeit prüfte sie zunächst, ob diese zur richtigen Zeit lebte und etwas mit Sachsen zu tun hatte. Für die verbleibenden Personen ermittelte sie, ob die restlichen Kriterien (z. B. Protestant, Kenntnisse in der Chemie, Lateinkenntnisse) passten.

Am Ende der Nachforschungen blieb schließlich nur eine Person übrig, die alle Kriterien erfüllte – und das sogar sehr gut. Dabei handelte es sich um den besagten Georg Beigel. Frau Bernotat hat folgende Daten über sein Leben zusammengestellt:

  • 1753 in Ippersheim bei Windsheim in Franken geboren
  • 1779 juristische Promotion in Leipzig (nach Jura-Studium in Altdorf und in Leipzig)
  • 1786 Stelle als Legationssekretär in kursächsischen Diensten an der Münchner Gesandtschaft
  • 1802 kehrte er nach Sachsen (Dresden) zurück
  • seit 1802 Legationsrath im Etranger Departement (gehört zum geheimen Kabinett)
  • seit 1804 als Geheimer Kabinettssekretär Reisebegleiter des Kurfürsten
  • 1804 bis 1812 geheimer Cabinets-Secretarius und Legationsrath im Etranger Departement
  • 1813 bis 1826 Oberbibliothekar in Dresden
  • 1826 Pensionierung wegen Gehörleidens und Gedächtnisschwäche
  • 1837 in Dresden gestorben

 

Beigel erfüllt die Kriterien

Und so erfüllt Beigel die von Frau Bernotat erstellten Kriterien:

  • Nachname folgt dem Muster ABCDBE: Dies ist beim Name Beigel gegeben.
  • Bezug zur Region Leipzig: Er lebte in Leipzig und Dresden.
  • Interesse an Kryptografie: Als Kabinettsmitglied hatte Beigel sicherlich von Berufs wegen mit Verschlüsselung zu tun (auch wenn „geheimes Kabinett“ in diesem Fall nichts mit „geheim“ im Sinne von vertraulich zu hat, sondern eher „vertraut“ bedeutet).
  • Protestant: Beigel war Protestant.
  • Sorgfältig und systematisch: Beigel veröffentlichte zur Astronomie, zu Naturwissenschaften und zu Vermessungstechniken. Ein sorgfältiges und systematisches Vorgehen ist dabei stets zu erkennen.
  • Anhänger der Aufklärung und gebildet: Auch dieses Kriterium passt.
  • Freimaurer: Beigel war Freimaurer.
  • Sehr gute chemische Kenntnisse: Beigel veröffentlichte zur Chemie.
  • Starkes Interesse an Sprachwissenschaft und/oder Orientalistik: Beigel veröffentlichte auch zur Linguistik.
  • Latein: Beigel konnte Latein.

Wie es scheint, hat Frau Bernotat das Rätsel gelöst. Es gibt zwar keinen eindeutigen Beweis, aber die Indizienlast ist geradezu erdrückend. Auch Tobias Schrödel, der dieses schöne Rätsel entdeckte und bei MysteryTwister C3 einstelle, sieht es als mit hoher Wahrscheinlichkeit gelöst an.

Ich kann Julia Bernotat zu ihrer Arbeit nur gratulieren. Ich finde es bewundernswert, mit welcher Akribie und welchem Spürsinn sie zu Werke gegangen ist. Und natürlich freue ich mich, dass sie all diese Energie in eine Fragestellung gesteckt hat, die mit Kryptografie zu tun hat und die ich auf meinem Blog behandelt habe. Frau Bernotat hat auf MysteryTwister C3 für ihre Leistung 900 von 1000 möglichen Punkten erhalten.

Zum Weiterlesen: Wenn Frauen verschlüsseln

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Gelöst: Die (angebliche) Verschlüsselung eines Tresorknackers

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Vor eineinhalb Jahren stellte ich auf Klausis Krypto Kolumne die verschlüsselte Nachricht eines Tresorknackers aus den Zwanziger-Jahren vor. Jetzt hat Blog-Leser Norbert Biermann den Code geknackt. Und festgestellt: Der Inhalt der Nachricht ist ein völlig anderer, als erwartet.

Am 6. Oktober 2014 veröffentlichte ich auf Klausis Krypto Kolumne eine 90 Jahre alte verschlüsselte Nachricht. Sie stammt aus dem Buch Codes and Ciphers von Peter Way (1977 erschienen). Laut Way wurde sie von einem “gefährlichen Tresorknacker” angefertigt.

Safe-Cracker-Cryptogram-614

Leider ist dem besagten Buch nicht zu entnehmen, wer der “gefährliche Tresorknacker” war und unter welchen Umständen er das Kryptogramm anfertigte. Immerhin ist eine Quelle angegeben: Peter Way hat die Tresorknacker-Nachricht einem Artikel aus den Illustrated London News (Ausgabe vom 25.8.1928) entnommen.

Meine Leser haben zwar schon so manches knifflige Kryptogramm geknackt, doch die Tresorknacker-Nachricht blieb vorläufig ungelöst.

 

Norbert Biermann, übernehmen Sie!

Vor einigen Wochen erwähnte ich das Tresorknacker-Kryptogramm gegenüber Norbert Biermann, der schon einige knifflige Rätsel auf Klausis Krypto Kolumne gelöst hat (siehe beispielsweise hier). Norbert Biermann ist hauptberuflich Pianist und Hochschulprofessor – und nebenberuflich ein hervorragender Codeknacker. Ich hoffte, dass er sich das Tresorknacker-Kryptogramm vornehmen würde – und er tat es.

Norbert Biermann stellte zunächst einmal fest: Der besagte Artikel in den Illustrated London News stammt von Harry Ashton-Wolfe (1881-1959). Ashton-Wolfe wurde in England geboren, wuchs in den USA auf und studierte in Frankreich sowie in Deutschland. Er arbeitete lange Zeit bei der französischen Polizei, offenbar zeitweise als Assistent von Alphonse Bertillon, den Sherlock-Holmes-Fans kennen dürften. In den 1920er Jahren wechselte er nach England. Dort arbeitete er ebenfalls für die Polizei und bald auch als Kriminalautor. Wie Ashton-Wolfe an das Tresorknacker-Kryptogramm gelangte, ließ sich nicht mehr ermitteln.

Um das Kryptogramm zu untersuchen, fertigte Norbert Biermann eine Transkription an (die Sternchen sind nachträgliche Marker, Erläuterung folgt):

ABCDCCEBF*GDF CHIEDJF*KDF
------------
L KMCANOF CPQRDCJMS GTUMUV*KW
------------,
UNF XIBF IYAP ZNOR12MV*GX 3BKEXGV,
AXO DGGV D4 YAX5XZGV CPUMO*KW. 5NO
KTS6KOV*CW. 5XAJWF *GDF IDOCXEWF*KW T4
ZODC4-GMJHICA*KW GB4 CT5XOTV.
PUV GPJJV X7XOUTV 3XUMSDCJV*CW
7XAV RNO KXI6JXRV 6JOV GX3TOMAV
T4 RX5B*GW: UNF 5OHSMJBF CWGX*KW T4
UNF HSSOBF AX3J7XJXJAX*GW ZXEG*X, H GE8
KWGW KHUUTO UOXJMF; OX55WGTFINF, KPOD-
CJV, AW RX5B*GW UNF X6GWIT PUV IXCJV
TJ6KPV JDOOMJ1OVKW 6D 9JOD3V-HOE64

Biermann verfolgte zunächst wochenlang die These, dass der Brief in einer Sprache verfasst ist, deren Alphabet deutlich über 30 Buchstaben umfasst. Lange Zeit blieb er bei Russisch hängen (und zwar vor der Rechtschreibreform von 1918, was einen großen Einfluss auf die Buchstabenstatistik am Wortende hat). Sogar mit dem armenischen Alphabet machte er sich vertraut und ermittelte auf eigene Faust armenische Bigrammhäufigkeiten. Doch ohne Erfolg.

Irgendwann kam Biermann auf die Idee, eine Wortmustersuche mit dem zweiten Wort der letzten Zeile durchzuführen: JDOOMJ1OVKW. Eine von mir mit CrypTool 2 durchgeführte Suche ergab als einziges passendes deutsches, englisches oder französisches Wort RITTERSTAND.

Safe-Cracker-Pattern

Norbert Biermann dachte etwas weiter und fand TERRITORIUM. Dieses passt, wenn man ignoriert, dass sowohl das M als auch das V für das I stehen. Auch TERRITORY und die entsprechenden Begriffe in einigen weiteren Sprachen erschienen möglich. Für Französisch kam TERRITORIAL infrage. TERRITOIRE paste immerhin dann, wenn die Buchstabenkombination OI mit nur einem Geheimbuchstaben chiffriert wurde.

Norbert Biermann versuchte es als erstes mit TERRITOIRE – und landete einen Volltreffer.

Mit den in TERRITOIRE enthaltenen Buchstaben konnte er schnell weitere Wörter raten. Nach zwei Stunden war das Kryptogramm gelöst.

 

Die Lösung

Hier ist der von Norbert Biermann ermittelte Klartext (mit ein paar wenigen Korrekturen):

Les concessions des soviets
_______
un discours suggestif de Lénine
_______,
nous avons vaincu la bourgeoisie mondiale,
car elle est incapable de s’unir pour
se défendre. Les pactes de Versailles et
de Brest-Litovsque l’ont séparée.
Une lutte acharnée se manifeste
chaque jour d’avantage entre l’Amérique
et le Japon: nous profitons de cela et
nous offrons la Kamtchatka (irrtümlich: Kamtchatatka) à bail, au lieu
de le donner gratis (irrtümlich: nratis); rappelez-vous, du re-
ste, que le Japon nous a enlevé une vaste
étendue territoire de l’Extrême-Orient (für das ‘l’ irrtümlich ‘6’ statt ‘G’).

Die Schlüsseltabelle sieht wie folgt aus:
Safebreaker-key

Der Verfasser hat in die Verschlüsselung eine zusätzliche Schikane eingebaut. Im Französischen gibt es einige sehr häufige kurze Wörter, die normalerweise bei monoalphabetischer Substitution schnell identifiziert werden können. Davon tauchen im Klartext einige auf: “les”, “des”, “de”, “se”, “le”, “la”, “à”. Ein erster Verschlüsselungsschritt sah vor, all diese Wörter, die normalerweise direkt vor einem Bezugswort stehen, stattdessen hinter ihr Bezugswort zu schreiben, und zwar (fast) immer ohne Wortzwischenraum. Also wurde z.B. die Überschrift “les concessions des soviets” umgewandelt in “concessionsles sovietsdes” und anschließend nach der Substitionstabelle chiffriert. In Biermanns Transkription sind diese Fälle durch ein Sternchen markiert. Um bei der Überschrift zu bleiben: ABCDCCEBF*GDF CHIEDJF*KDF wird im Klartext zu “concessions*les soviets*des” und kann dann korrekt umgestellt werden zu “les concession des soviets”.

Auf Deutsch lautet der Klartext etwa:

Die Konzessionen der Sowjets
_______
Eine Rede von Lenin, in der er einen Vorschlag unterbreitet
_______
Wir haben die weltweite Bourgeoisie besiegt,
denn sie ist unfähig, sich zu vereinen um
sich zu verteidigen. Die Verträge von Versailles und
von Brest-Litowsk haben sie gespalten.
Ein erbitterter Kampf zeigt sich,
von Tag zu Tag stärker, zwischen Amerika
und Japan: Wir profitieren davon, und
wir bieten Kamtschatka zur Pacht an, anstatt
es gratis zu vergeben; ruft euch im Übri-
gen ins Gedächtnis, dass Japan uns ein großes,
weites Territorium im Fernen Osten weggenommen hat.

 

Was hat das mit einem Tresorknacker zu tun?

Nun fragt man sich natürlich: Was haben  die “Konzessionen der Sowjets” mit einem Tresorknacker zu tun? Nachdem Norbert Biermann den Text mit einer französischen Kollegin durchgegangen war, kam  er zu folgender Antwort: nichts! Der Text ist vielmehr eine komprimierte Rede Lenins.

Doch  warum verschlüsselte damals jemand eine Lenin-Rede? War es ein französischer Agent, der die Rede für so bedeutsam hielt, dass er sie chiffriert nach Frankreich übermittelte? Oder handelt es sich einfach nur um einen Text, der an einer französischen Polizeischule zur Schulung von Codeknackern verwendet wurde?

Interessant ist auch eine andere Frage: Warum präsentierte Harry Ashton-Wolfe die verschlüsselte Lenin-Rede als die Nachricht eines Tresorknackers? Darauf hat Norbert Biermann eine mögliche Antwort gefunden. Von Ashton-Wolfes gibt es ein Buch namens “The Forgotten Clue” (1929). Biermann stellte fest, dass Ashton-Wolfe mit seinem Artikel in den Illustrated London News 1928 ebendieses Buch vorbereitet hatte. Es gibt in diesem Buch passenderweise ein Kapitel mit der Überschrift “Secret Writing and Invisible Inks” inklusive zweier Abbildungen, die beide auch im Artikel zu finden sind. Das hier betrachtete Kryptogramm wird jedoch im Buchkapitel nicht erwähnt. Dafür wird ein einfaches deutsches Geheimalphabet mit folgender Unterschrift vorgestellt: “The secret alphabet found on a member of a dangerous gang of German safebreakers.” Vermutlich hat Ashton-Wolfe die Sache mit dem Tresorknacker (“safebreaker”) vom Geheimalphabet auf die verschlüsselte Lenin-Rede überntragen – aus Versehen oder absichtlich.

Insgesamt bin ich absolut begeistert von Norbert Biermanns Recherche- und Codeknacker-Arbeit und bin stolz, diese spannenden Ergebnisse auf meinem Blog präsentieren zu können. Darüber hinaus kann ich nur sagen: Herzlichen Dank!

Zum Weiterlesen: Gelöst: Der verschlüsselte Drohbrief an US-Präsident Roosevelt

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Verschlüsselte Weihnachtspostkarte aus dem Jahr 1903 gelöst – mit überraschendem Ergebnis

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Auf meine Leser war mal wieder Verlass. Schon wenige Stunden, nachdem ich vorgestern eine verschlüsselte Postkarte veröffentlicht hatte, war diese gelöst. Und dann erlebte ich eine angenehme Überraschung.

Die verschlüsselte Postkarte aus dem Jahr 1903, die ich vorgestern in meinem Blog vorgestellt habe, stammt von einem Mann namens August. Empfängerin war seine Geliebte namens M. Scheck. Meine Leser Thomas, Norbert Biermann und Jan brauchten lediglich ein paar Stunden, um den Code zu knacken.

Der Inhalt des verschlüsselten Grußes ist nichts Ungewöhnliches, schließlich wurden die meisten verschlüsselten Postkarten von jungen Männern an ihre Geliebten geschrieben.

Norbert Biermann wies mich allerdings auf etwas Interessantes hin: Diese Karte aus Neunkirchen hat eine frappierende Ähnlichkeit mit einer anderen verschlüsselten Postkarte, die ich vor knapp einem Jahr auf Klausis Krypto Kolumne vorgestellt habe (sie ging von Bonn nach Neunkirchen). Tatsächlich stammen beide Karten vom selben Liebespaar. Es gibt allerdings einen kleinen Unterschied: Die Bonner Karte ging in die andere Richtung. Sie wurde von der Geliebten geschrieben, und August (genannt “Herzensaugust”) war der Empfänger.

Nach über 110 Jahren kommen dadurch zwei Postkarten wieder zusammen, die zusammengehören. Interessant finde ich, dass die beiden Karten aus völlig unterschiedlichen Quellen stammen (Privatsammlung von Manfred Hahn und Stadtarchiv Bonn).

Im Folgenden werde ich beide Karten im Detail vorstellen. Vermutlich gibt es noch weitere verschlüsselte Karten dieses Liebespaars – mal sehen, ob noch eine auftaucht.

 

Erste Karte: 24. Dezember 1903 (von Neunkirchen nach Mönchengladbach)

Absender: August Dedering
Empfänger: Maria Scheck

Postcard-Neunkirchen-Hahn

Der Klartext lautet (beginnend an der Stelle “4.072”):

HABE ALSO VOR AM DONNERSTAG MITTAG UM (12) HIER ABZUFAHREN UND BIN DANN DES ABENDS UM (8) IN KÖLN UND WERDE DANN MONTAG (1/2 4) IN M. GLADBACH EINTREFFEN. WANN ICH DICH ABER AUFGEFUNDEN HABE WEISS ICH NOCH NICHT. WENN ICH MICH NUR NICHT UM EINIGE STUNDEN VERLAUFE! TANTE HAN[N]CHEN HAT AUCH GLEICHZEITIG MIT DEINEM BRIEFE EINIGE KARTEN GESANDT. ALLES ANDERE MÜNDLICH. AUF FROHES WIEDERSEHN HOFFEND VERBLEIBT DEIN DICH TREU LIEBENDER AUGUST. NUR DEIN. ZURÜCK FAHREN MUSS ICH SCHON SONNTAG ABEND.

 

Zweite Karte: 6. April 1904 (von Bonn nach Neunkirchen)

Absender: Maria Scheck
Empfänger: August Dedering

Postkarte-Bonn

Der Klartext lautet:

(unten)
MEIN EINZIG GELIEBTER GUTER TREUER
SÜSSER HERZENSAUGUST INNIGEN DANK MEIN TREUES HERZLIEB FÜR DEIN LIEBE
KARTE WAS IST DAS HEIMWEH EIN HARTER SCHMERZ DOCH MEIN LIEBLING LASS
UNS AN DEM GEDANKEN FEST HALTEN DAS WIR DENNOCH IN UNSRER SCHÖNEN LIEBE
VEREINT SIND MEIN DASEIN IST AUCH SO FREUDENLOS SEIT DU MEIN
SÜSSER ??? MICH VERLASSEN HAST

(Mitte)
DU BIST MEIN TREUER
SÜSSER HERZENSAUGUST
MEIN GANZES EINZIGES
GLÜCK AUF DIESER
WELT

(oben, auf dem Kopf)
DER LIEBE GOTT BEHÜTE
DICH MEIN HERZENSLIEBLING
IN HERZLICHER INNIGER LIEBE UND
SCHMERZLICHER SEHNSUCHT GEDENKE ICH STETS DEINER
UND NIMM SO VIELE HERZLICHE KÜSSE VON DEINER NUR FÜR
DICH LEBENDE DICH EWIG TREU LIEBENDE NUR DEIN MARIA

 

Schlüsseltabelle

Die Verschlüsselung ist eine einfache Buchstabenersetzung. Je eine Zahl (teilweise mit einem Komma, Apostroph oder Unterstrich) steht für einen Buchstaben. Umlaute werden (wie üblich) durch zwei Punkte angezeigt. Der Malpunkt steht für einen Wortzwischenraum.

0 = W     0, = ?     0′ = A
1 = M     1, = T     1′ = Z
2 = F     2, = E
3 = ?     3, = D     3′ = I
4 = N     4, = H
5 = U     5, = G
6 = C     6_ = K
7 = B     7_ = V
8 = S     8, = L
9 = O     9, = R

Bleibt noch die Frage, wie die Leser Thomas, Norbert und Jan diese Schlüsseltabelle ermittelt haben. Der erste Schritt bestand sicherlich darin zu erkennen, dass eine Zahl mit (teilweise fehlendem) Komma/Apostroph/Unterstrich jeweils für einen Buchstaben stand. Anschließend führte unter anderem das Buchstabenzählen zum Ziel. Da das “2,” am häufigsten vorkommt, steht es für den häufigsten deutschen Buchstaben: das E.

Einfacher ist es oft, Wortmuster zu erraten. Das Geheimtext-Wort “864,12,9,1’8,3’64,2,9,” besteht aus 13 Buchstaben. Man kann es in der Form ABCDEFGHIBCEF schreiben. Die Software CrypTool 2 findet für dieses Muster drei Wörter:

CrypTool-2-Bonn-Neunkirchen

Dreimal dürfen Sie raten, welches Wort das richtige ist.

Zum Weiterlesen: Neuchâtel-Kryptogramm: Eine rätselhafte Postkarte aus dem Jahr 1915

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NIcht schwierig: Wer löst dieses verschlüsselte Telegramm aus der Karibik?

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Ein verschlüsseltes Telegramm kann eine harte Nuss sein. Dieses Exemplar, das 1939 aus Südamerika nach England geschickt wurde,  ist allerdings auch für Anfänger durchaus lösbar.

Wenn das kein Zufall ist! Anfang Januar machte ich auf einer Reise durch den Süden Englands Station in Hastings, einem kleinen Städtchen am Ärmelkanal. Ein Stadtteil von Hastings ist St Leonards-on-Sea, das bis ins 19. Jahrhundert eigenständig war.

Per Telegramm über den Atlantik

Vor ein paar Tagen hat mir Blog-Leser Karsten Hansky dankenswerterweise ein verschlüsseltes Telegramm aus dem Jahr 1939 zur Verfügung gestellt. Der Empfänger saß in St Leonards-on-Sea. Aus dem genannten Grund wusste ich gleich, wo das ist.

Der Absender befand sich am anderen Ende des Atlantiks: in Georgetown, der Hauptstadt der damaligen Kolonie British Guyana. Heute ist das Land unter dem Namen Guyana selbständig. Der Absender (und evtl. auch der Empfänger) war für eine Firma Robertson Treasury aktiv. Leider ist mir nicht ganz klar, was diese Firma machte. “Treasury” heißt “Schatzkammer” oder “Fiskus”. Beides passt an dieser Stelle nicht so recht. Vielleicht handelte es sich um eine Bank.

Robertson-Telegram-bearbeitet

Der Geheimtext ist recht kurz und lautet JKHQY GYULN QOOWE HAWNH EAOPL KODEX HAHQR.

Auch für Anfänger geeignet!

Das Kryptogramm ist einfach zu knacken (der Klartext stand sogar auf dem Telegramm, Karsten Hansky hat ihn aber gelöscht). Dies ist nicht selbstverständlich, denn Telegramme wurden damals häufig mit Hilfe von Codebüchern verschlüsselt, die noch heute schwer zu knacken sind (siehe zum Beispiel hier). In diesem Fall wählte der Absender allerdings ein deutlich einfacheres Verfahren. Es sollte vermutlich nur das Personal vom flüchtigen Mitlesen abhalten.

Schafft es jemand die Verschlüsselung zu knacken? Falls ja, was bedeutet denn genau der Klartext (ich habe es zugegebenermaßen nicht verstanden)?

Zum Weiterlesen: Das verschlüsselte Telegramm eines Astronomen

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Ein verschlüsseltes Zauberbuch gibt Rätsel auf

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Heute geht es um ein verschlüsseltes Buch, das längst entschlüsselt ist. Der Inhalt lässt jedoch viele Fragen offen.

Was macht man, wenn man einen alten verschlüsselten Text besitzt und diesen nicht entschlüsseln kann? Heute wendet man sich natürlich an Klausis Krypto Kolumne. Diese Möglichkeit hatte Markus Adelsbach aus Straßburg jedoch noch nicht zur Verfügung, als er 2012 wissen wollte, was es mit einem teilweise verschlüsselten Büchlein auf sich hatte, das aus dem Nachlass seines Großvaters stammte.

Adelsbach-Seite

 

Der Code war schnell geknackt

Da es Klausis Krypto Kolumne noch nicht gab, reichte Adelsbach Scans des Buchs in der Fundbüro-Kolumne von Spiegel Online Einestages ein. Leider gibt es diese spannende Kolumne inzwischen nicht mehr, doch die Anfrage ist noch abrufbar (wenn auch ohne die Scans).

Herr Adelsbach musste nicht lange auf Antworten warten. Eine davon kam von mir. Ich wies ihn auf einige gute Codeknacker hin, die eventuell helfen konnten. Doch das war gar nicht notwendig, denn es meldete sich außerdem ein Leser namens Jörg Steffen, der es geschafft hatte, die Verschlüsselung zu knacken. Es handelte sich um ein Ersetzungsverfahren. Häufige Buchstaben wie das E oder das N werden durch einstellige Zahlen ersetzt. Der folgende Textausschnitt lautet beispielsweise VUT D32 L5762 S32 7528 und entschlüsselt sich in VUT DIE LUMBEN SIE MUSEN.

Adelsbach-Lumben

Das gesamte verschlüsselte Buch inklusive der Entschlüsselung von Jörg Steffen ist hier abrufbar.

Adelsbach-Seite-2

Man kann das Buch als Zauberbuch bezeichnen, da einige Inhalte magischen Charakter haben. Außerdem kommen lothringische Dörfer, Rezepte, magische Zahlen und einige andere Dinge darin vor. Auf meiner Liste verschlüsselter Bücher steht das Buch unter der Bezeichnung “Adelsbach-Manuskript” an Position 00032.

 

Entschlüsselt und dennoch rätselhaft

Vor einigen Wochen erhielt ich eine Mail von Markus Adelsbach. Er schrieb: “Das Büchlein ist immer noch ein Rätsel für mich. Nachforschungen in den zitierten lothringischen Dörfern Sarrealbe, Hinsprich, Diederfing usw. haben wenig ergeben. Anscheinend wurden dort Panama-Hüte hergestellt. Was dies allerdings mit den Rezepten und magischen Zahlen zu tun hat?”

Kann vielleicht ein Leser mehr mit dem Inhalt dieses Buchs anfangen? Wie alt ist es? Wer könnte es geschrieben haben? Was bedeutet der Inhalt?

Immerhin eine Sache ist leicht zu erkennen. Das folgende Bild zeigt das so genannte Sator-Quadrat:

Adelsbach-SATOR

Das Sator-Quadrat ist eine mindestens 2000 Jahre alte Buchstabenspielerei. Sie dreht sich um den lateinisch klingenden Satz SATOR AREPO TENET OPERA ROTAS. Diesen kann man nicht nur von hinten lesen, sondern auch in der obigen Form als Quadrat schreiben. Der Satz ist darin sowohl zeilenweise als auch spaltenweise lesbar. Einen tieferen Sinn hat diese Wortfolge nicht. Man kann sie mit „Der Sämann Arepo hält mit Mühe die Räder“ übersetzen. Weitere Informationen zum Sator-Quadrat gibt es bei Wikipedia.

Wer mehr in Markus Adelsbachs Zauberbuch findet, möge sich melden.

Zum Weiterlesen: Aus dem 18. Jahrhundert: Ein verschlüsseltes Buch mit dreieckigen Seiten

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Rätsel um Zahlencode 82382 ist gelöst

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“Was bedeutet die Zahl 82382 und warum haben Graffiti-Sprüher sie verwendet?”, fragte ich im Februar. Heute kann ich die Lösung präsentieren.

Mehrere Monate lang verunstalteten Sprüher in den Städten Glauchau, Hohenstein-Ernstthal, Lichtenstein und Oberlungwitz zahlreiche Wände. Die Schmierereien ließen eine rechtsextreme Gesinnung vermuten. Rund 50 Strafanzeigen wurden gestellt, die Schadensumme erreichte einen fünfstelligen Bereich.

In den Graffiti tauchte immer wieder die Zahl 82382 auf.

Die Polizei tat sich schwer mit den Ermittlungen, konnte aber am Ende vier Tatverdächtige dingfest machen. Sie sind zwischen 17 und 24 Jahren alt und stammen aus der Region. Was die Zahl 82382 bedeutet, blieb jedoch unklar.

Am 28. Februar berichtete ich in Klausis Krypto Kolumne über diesen Fall. Immerhin 30 Kommentare gingen anschließend ein. Eine plausible Lösung war nicht darunter. Die Postleitzahl 82382 erwies sich als nicht vergeben, und der Versuch, eine Verschlüsselung darin zu erkennen, lieferte kein brauchbares Ergebnis.

Heute gab es einen weiteren Kommentar zum Artikel: Der Leser Rober wies dankenswerterweise darauf hin, dass die Polizei nun die Lösung gefunden hat – auch ohne die Unterstützung von Klausis Krypto Kolumne.  Laut einem Zeitungsbericht vom 30. Mai hat 82382 folgende Bedeutung:

8: H(ohenstein)
23: W(üstenbrand)
8: H(ermsdorfer)
2: B(rüderschaft)

Es geht also um die Hohenstein-Wüstenbrand-Hermsdorfer Brüderschaft. Leider konnte ich über diese Organisation im Internet nichts finden. Nach Angaben der Polizei ist sie keinem politischen Spektrum zuzuorden. Hohenstein, Wüstenbrand und Hermsdorf sind übrigens Orte in Sachsen.

Zugegebenermaßen hätte ich gerne eine spektakulärere Lösung präsentiert. Doch die Wahrheit ist eben manchmal unspektakulär.

Zum Weiterlesen: Was bedeutet dieses Graffiti in unbekannter Schrift?

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Gary Klivans’ knifflige Fälle (Teil 1): Der Gefängnis-Schmuggel-Code

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Gary Klivans ist der führende Experte für die Verschlüsselungen von US-Verbrecherbanden (Gang-Codes). Einige seiner interessantesten Fälle hat er für Klausis Krypto Kolumne zur Verfügung gestellt.

Eingeschmuggelte Drogen, Waffen, Handys und andere verbotene Gegenstände gibt es wohl in jedem Gefängnis der Welt. Sender und Empfänger der heißen Ware müssen sich naturgemäß abstimmen, und manchmal tun sie dies mit verschlüsselten Nachrichten. In den USA organisieren oft Verbrecherbanden (Gangs) die Schmuggelaktionen und verwenden zur Verschlüsselung ihre Gang-Codes, über die ich auf Klausis Krypto Kolumne schon mehrfach berichtet habe (zum Beispiel hier und hier).

Der führende Experte für US-Gang-Codes ist der Polizist im Ruhestand Gary Klivans, dessen Buch Gang Secret Codes: Deciphered ich wärmstens empfehlen kann – auch wenn es in Deutschland nur schwer erhältlich ist.

Gary Klivans hat mir nun dankesnwerterweise eine Reihe von Gang-Kryptogrammen zur Verfügung gestellt, die in seinem Buch nicht vorkommen. Das erste davon stammt von einem Gefängnisinsaßen, der einem Komplizen außerhalb des Gefängnisses mitteilt, wie dieser Drogen ins Gefängnis schmuggeln soll. So sieht das Kryptogramm aus:

Klivans-01-Contraband-01

Auffällig ist, dass die Buchstaben-Kombination “yp” extrem oft vorkommt. Offenbar steht sie für das Ende eines Worts. Der Rest entpuppte sich als einfache Cäsar-Chiffre, die man mit einer Häufigkeitsanalyse leicht lösen kann.

Wer Lust hat, kann versuchen, das Kryptogramm selbst zu dechiffrieren. Es ist nicht schwieirig. Für alle anderen gibt es hier die Lösung.

Zum Weiterlesen: Codeknacker auf Verbrecherjagd, Folge 8: Die Skorpion-Briefe

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Gary Klivans’ knifflige Fälle (Teil 2): Der Krieg-der-Sterne-Code

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Als Gang-Code-Experte Gary Klivans einen verschlüsselten Brief an einen Gefängnis-Insaßen dechiffrierte, stellte er erstaunt fest: Die verwendete Geheimschrift hatte mit Star Wars zu tun.

Im Dezember 2013 schrieb eine Person in Montgomery (Pennsylvania) eine Nachricht an einen Gefängnisinsaßen. Details sind mir leider nicht bekannt. Offenbar wurde die Nachricht abgefangen. Allerdings war sie nicht ohne Weiteres zu lesen, denn der Absender hatte sie verschlüsselt:

Klivans-02-StarTrek-01

Dieses Kryptogramm wurde ein Fall für Gary Klivans, einen bekannten Experten für die Verschlüsselungen von US-Verbrecherbanden und Inhaftierten. Gary Klivans’ Buch Gang Secret Codes: Deciphered kann ich wärmstens empfehlen – auch wenn es in Deutschland nur schwer erhältlich ist. Gary Klivans hat mir dankenswerterweise eine Reihe von Fällen zur Verfügung gestellt, die in seinem Buch nicht vorkommen – die obige Nachricht gehört dazu.

Wer Lust hat, kann versuchen, das Kryptogramm selbst zu dechiffrieren. Es ist nicht schwieirig. Vielleicht erkennt sogar jemand die verwendete Geheimschrift und kann den Text ohne größere Mühe lesen. Für alle anderen gibt es hier die Lösung.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels war fälschlicherweise von Raumschiff Enterprise (Star Strek) statt von Krieg der Sterne (Star Wars) die Rede.

Zum Weiterlesen: Gary Klivans’ knifflige Fälle (Teil 1): Der Gefängnis-Schmuggel-Code

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Alice, Berthe, Denise, Georgette: Rätselhafte Postkarte aus dem Jahr 1914 gelöst

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Warum zählt jemand auf einer Postkarte Frauennamen und Buchstabenkürzel auf? Blog-Leser Manfred Hahn hat die Lösung zu diesem Rätsel, das ich letzte Woche vorgstellt habe, gefunden.

Auf Klausis Krypto Kolumne habe ich schon viele verschlüsselte Postkarten vorgestellt. Doch die folgende (vom einstmals sehr populären Postkartensammler-Verein Kosmopolit) sieht anders aus als alle bisherigen:

Postcard-Burghard-text

Blog-Leser Manfred Hahn hat mir diese Karte zur Verfügung gestellt. Vor einer Woche habe ich sie in einem Blog-Artikel vorgestellt.

Der Leser GHC fand im Internet eine weitere Postkarte vom Verein Kosmopolit, auf der mit “Denise” ebenfalls ein Frauenname stand. Leider ist der Link inzwischen tot. Falls jemand noch einen Scan der Karte (oder auch von anderen Karten dieser Art) hat, möge er sich melden.

Ansonsten wurde im Diskussionsforum darüber spekuliert, ob es sich um einen Code handelt, mit dem Postkarten-Sammler Informationen austauschen. Wie sich zeigte, war diese Vermutung richtig.

Vor ein paar Tagen ist schließlich Manfred Hahn selbst auf die richtige Lösung gestoßen. In Weltverband Kosmopolit. Geschichte des Welt-, Kauf- und Tauschverband für Ansichtspostkartensammler. Band 1 der Materialien zur Geschichte des Sammelns von Ansichtspostkarten (Düsseldorf 1983) von Claus-Thorsten Schmidt fand er (in der Satzung vom 12.11.1923) einen “Korrespondenzschlüssel”. Dieser liest sich wie folgt:

  • Alice: Es wäre mir sehr angenehm, mit Ihnen Karten tauschen zu können.
  • Berthe: Ortsgestempelte Karten
  • Denise: Ich wünsche die Marke immer bildseitig
  • Georgette: Bitte mit Marken von verschiedenen Werten frankieren.
  • Irene: Ich wünsche.
  • Irma: Ich kann Ihnen senden.
  • Renée: Besten Gruß.
  • I: Wünscht Ansichtskartentausch
  • II: Briefmarken
  • a: Ansichten von Städten, Plätzen, Straßen usw.
  • b: Gesamt-Ansichten
  • d: Denkmäler
  • dd: Rathäuser, Brücken und Kirchen
  • j: Schlösser, Ruinen
  • k: Gebirge, Gletscher
  • kk: Künstlerkarten
  • D.r.: Deutsch, englisch
  • pR: prompte revanche

Damit wäre das Rätsel also gelöst. Der Text auf der Postkarte lautet etwa:

Es wäre mir sehr angenehm, wenn wir Ansichtskarten und Briefmarken tauschen könnten. Ich bin an ortsgestempelten Karten interessiert. Ich wünsche die Marke immer bildseitig. Bitte mit Marken von verschiedenen Werten frankieren. Ich kann Ihnen senden: Ansichten von Städten, Plätzen, Straßen usw., Gesamt-Ansichten, Denkmäler, Rathäuser, Brücken und Kirchen, Schlösser, Ruinen, Gebirge, Gletscher, Künstlerkarten. Ich wünsche Ansichtskarten und Briefmarken mit Ansichten von Städten, Plätzen, Straßen usw., Gesamt-Ansichten, Rathäuser, Brücken und Kirchen, Schlösser, Ruinen auf Deutsch und Französisch mit prompter Revanche.

Der Buchstabe F ist nicht im Korrespondenzschlüssel enthalten, ich gehe aber stark davon aus, dass er für “Französisch” steht.

Damit ist wieder einmal ein Rätsel auf Klausis Krypto Kolumne gelöst. Danke an alle Beteiligten.

Zum Weiterlesen: Verschlüsselte Postkarte: Wer kann sie (noch einmal) lösen

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Gary Klivans’ knifflige Fälle (Teil 3): Der philosophische Gefängnis-Code

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Ein verschlüsselter Zettel aus einem Gefängnis war für Gang-Code-Experte Gary Klivans eine harte Nuss. Als er das Kryptogramm dennoch lösen konnte, stieß er auf poetisch-philosophische Gedanken.

Gary Klivans ist ein ausgewiesener Experte für die Verschlüsselungen von Verbrecherbanden und Inhaftierten. Sein Buch Gang Secret Codes: Deciphered kann ich wärmstens empfehlen – auch wenn es in Deutschland nur schwer erhältlich ist. Gary Klivans hat mir dankenswerterweise eine Reihe von Fällen zur Verfügung gestellt, die in seinem Buch nicht vorkommen. Die folgende Nachricht gehört dazu:

Klivans-03-Humans-01

Leider habe ich keine Informationen über den Hintergrund dieses Kryptogramms. Vermutlich wurde es von einem Gefängnisinsaßen angefertigt.

Dem Anschein nach verwendete der Verfasser der Nachricht eine einfache Buchstabenersetzung. Eine solche kann man oft mit Hilfe der Buchstabenhäufigkeiten lösen (das E ist im Englischen der häufigste Buchstabe, gefolgt von T, A, O und N). Gary Klivans bevorzugt jedoch einen anderern Ansatz, wie in seinen Veröffentlichungen immer wieder zu erkennen ist. Er versucht, Wörter zu erraten und darüber den Einstieg in die Dechiffrierung des restlichen Texts zu finden.

Ein scheinbar gefundenes Fressen für Klivans findet sich in den Zeilen 2 und 4 des Kryptogramms:

Klivans-03-Humans-02

Wie man sieht, steht in Zeile 4 ein Wort mit vier Buchstaben, wobei der zweite und der dritte Buchstabe gleich sind. Dies kann man mit XYYZ transkribieren. In der zweiten Zeile kommt ein Wort mit den gleichen Buchstaben, aber in anderer Reihenfolge vor: XYXZ.

Klivans suchte nun nach passenden Wortpaaren: BEEN/EBEN, SEEN/ESEN, NEED/ENED, SEED/ESED, TOOL/OTOL und FOOL/OFOL ergaben keinen Sinn. ABBY/BABY, DOOR/ODOR und VEER/EVER hätten gepasst, erwiesen sich jedoch bei näherer Prüfung als Sackgasse.

Erst im zweiten Anlauf hatte Klivans Erfolg. Wie er dabei vorging, erfahren Sie auf der Lösungsseite.


Zum Weiterlesen: Der Mann mit der Eisernen Maske: Wie ein Kryptologe das Rätsel (nicht) löste

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Das verschlüsselte Telegramm eines Astronomen

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Der Astronom John Ritchie verschickte 1896 ein verschlüsseltes Telegramm. Karsten Hansky, der sich sowohl mit Astronomie als auch mit Codeknacken auskennt, konnte es dechiffrieren und einige interessante Hintergrundinformationen ermitteln.

Das folgende Telegramm hat mir dankenswerterweise Dr. Karsten Hansky zur Verfügung gestellt:

John-Ritchie-Telegram

Der Absender ist der US-Astronom John Ritchie Jr. Er schickte das Telegramm von Boston an das Chamberlain Observatorium in Denver. Auch ein Datum ist zu erkennen: der 7. September.

Das Jahr, in dem das Telegramm verschickt wurde, ist nicht angegeben. Lesen kann man das Schreiben ebenfalls nicht. Es ist – so scheint es jedenfalls – verschlüsselt. Es besteht aus einer Folge von Fantasiewörtern aus unterschiedlichen Sprachen. BOUCHETROU klingt beispielsweise französisch, GIACOBINI italienisch und FACILENESS englisch. Wer regelmäßig Klausis Krypto Kolumne liest, weiß, was mutmaßlich dahinter steckt: Der Verfasser hat ein Codebuch verwendet, das jedem Wort einer Sprache ein Codewort (in diesem Fall ein Fantasiewort, in andern Fällen oft eine mehrstellige Zahl) zuordnet.

Ein kniffliger Code

Ein solches Kryptogramm zu lösen, kann eine äußerst knifflige Aufgabe sein. Doch Karsten Hansky hatte Glück und die richtige Spürnase: Zunächst fand er in einer Schrift der Astronomical Society of the Pacific ein Telegramm mit gleichem Inhalt. Es wurde am 7. September 1896 vom Lick-Observatorium (Kalifornien) an das Harvard College Observatorium (Massachusetts) gesendet. Offenbar war der Inhalt also nicht für ein bestimmtes Observatorium bestimmt, sondern kursierte unter den damaligen Astronomen. Damit war das Ursprungsjahr geklärt.

Doch wie ließ sich das Telegramm entschlüsseln? Das war nicht schwierig, denn Karsten Hansky fand im Internet das passende Codebuch (John Ritchie ist einer der Autoren, dies erleichterte naturgemäß die Suche). Hier ist eine Seite daraus:

John-Ritchie-Telegram-Codebuch

Wie man sieht, gibt es für jede vierstellige Zahl ein Codewort. BOUCHETROU steht beispielsweise für 6835. Insgesamt ist das Codebuch nicht dafür gedacht, Alltagssprache zu verschlüsseln. Stattdessen ist es für astronische Mitteilungen gemacht.

Karsten Hansky kennt sich gut mit Astronomie aus. Mit seinen Kenntnissen und dem Codebuch konnte er folgenden Klartext ermitteln:

Boston Mass, September 7th
Comet Brooks was observed by Lick (observatory) on September 6.8355 at the following
position:
RA: 207° 56’ 01” -> 13h 51m 44.1s
Dec: 55° 24’ 52”
Giacobini was observed by Hussey on September 6.6916 at the following position:
RA: 258° 44’ -> 17h 14m 58.3s
Dec: -7° 52’ 26”
John Ritchie Jr

Das Telegramm gibt also die am 6. September ermittelten Koordinaten für die Kometen Brooks und Giacobini an.

Warum war das Telegramm verschlüsselt?

Bleibt noch die Frage, warum John Ritchie das Telegramm verschlüsselt hat. Ganz so geheim ist der Inhalt ja schließlich nicht. Ein Blick auf die ersten Seiten des Codebuchs liefert die Antwort: Allem Anschein nach diente der Code gar nicht der Geheimhaltung. Dies ist nichts Ungewöhnliches, denn viele Codebücher der damaligen Zeit wurden nicht oder nicht nur zu Verschlüsselungszwecken entwickelt. Ein weiteres wichtiges Ziel war es, Telegramme zu verkürzen und dadurch billiger zu machen. Außerdem war ein Code, wenn er entsprechend aufgebaut war, weniger fehleranfällig.

Im vorliegenden Fall war vermutlich die geringere Fehleranfälligkeit der Grund, warum die Astronomen ein Codebuch verwendeten. Bei der Übermittlung astronomischer Koordinaten passierten zweifellos leicht Fehler. Die Verwendung von Fantasiewörtern für vierstellige Zahlen und astronomische Begriffe war da sicherlich ein gutes Rezept. Kürzer wurden die Nachrichten dadurch anscheinend nicht. Dafür waren sie für Nichteingeweihte kaum verständlich. Ob dies ein gewollter Nebeneffekt war, lässt sich heute nicht mehr ermitteln.

Zum Weiterlesen: Wie ein Rätsel der Kryptologie-Geschichte nach 70 Jahren gelöst wurde

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Gary Klivans’ knifflige Fälle (Teil 4): Auf den Hund gekommen

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Mit Hilfe geratener Wörter konnte Gang-Code-Experte Gary Klivans eine verschlüsselte Nachricht aus einem Gefängnis lösen. In ihr kommen auffällig oft die Wörter “Nigga” und “Dog” vor.

Gary Klivans ist ein ausgewiesener Experte für die Verschlüsselungen von Verbrecherbanden und Inhaftierten. Sein Buch Gang Secret Codes: Deciphered kann ich wärmstens empfehlen – auch wenn es in Deutschland nur schwer erhältlich ist. Gary Klivans hat mir dankenswerterweise eine Reihe von Fällen zur Verfügung gestellt, die in seinem Buch nicht vorkommen. Die folgende Nachricht gehört dazu:

Klivans-04-Dog-1

Ich habe leider keine Hintergrund-Informationen zu diesem Kryptogramm. Nach Lage der Dinge dürfte es von einem Inhaftierten stammen. Die meisten Botschaften dieser Art sind mit einer Buchstaben-Ersetzung verschlüsselt. Auch dieses Kryptogramm sieht danach aus.

Buchstaben-Ersetzungen kann man über die Buchstabenhäufigkeiten lösen (das E ist im Englischen der häufigste Buchstabe, gefolgt von T, A, O und N). Gary Klivans bevorzugt jedoch einen anderern Ansatz, wie ich schon mehrfach erwähnt habe. Er versucht, Wörter zu erraten und darüber die Bedeutung einzelner Geheimtext-Buchstaben zu ermitteln.

In diesem Fall entdeckte Klivans ein Vier-Buchstaben-Wort der Form ABCA, das auffällig oft vorkommt:

Klivans-04-Dog-2

Schnell entdeckte Klivans ein zweites Wort im Text, das nach dem gleichen Muster aufgebaut ist:

Klivans-04-Dog-3

Wie man sieht, stimmen die Anfangsbuchstaben (und damit auch die Endbuchstaben) der beiden Wörter überein.

Nun fiel Klivans noch ein längeres Wort auf, das mehrfach vorkommt:

Klivans-04-Dog-4

Man beachte, dass der letzte und der viertletzte Buchstabe dieses Worts übereinstimmen.

Drei Wörter wie diese genügen Gary Klivans normalerweise, um ein solches Kryptogramm zu lösen. In diesem Fall gelang es ihm jedoch nicht. Er fand schlichtweg keine gängigen Begriffe aus der englischen Sprache, die in diese drei Muster passten.

Doch dann bemerkte er, dass er einen (kleinen) Fehler gemacht hatte. Worin dieser bestand und wie er anschließend den Klartext ermittelte, erfahren Sie auf der Lösungsseite.
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Zum Weiterlesen: So trickste ein Kriegsgefangener mit geheimen Botschaften die Wärter aus

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Das verschlüsselte Tagebuch eines Eremiten

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Der Eremit Noah John Rondeau hatte unbequeme Ansichten, die er verschlüsselt zu Papier brachte. Inzwischen ist sein Code geknackt.

Wer sich für Kryptologie-Geschichte interessiert, muss öfters Geografie-Unterricht nehmen. So lernte ich beim Schreiben für Klausis Krypto Kolumne unter anderem schon, wo Nérac im Departement Lot-et-Garonne und Atalaya liegen – nachdem sich jeweils eine Verbindung dieser Orte mit einem Kryptogramm ergeben hatte.

Als ich gestern – Google sei Dank – mal wieder auf eine interessante Verschlüsselung stieß, die ich noch nicht kannte, waren die geografischen Gegebenheiten dagegen schnell geklärt. Die Adirondack Mountains im US-Bundesstaat New York kannte ich nämlich bereits. Dies lag allerdings nicht daran, dass dort (genauer gesagt in Lake Placid) zweimal die Olympischen Winterspiele stattgefunden hatten (1932 und 1980), sondern weil dort der mutmaßliche Frauenmörder Henry Debosnys lebte. Er hinterließ vier Kryptogramme, die bis heute nicht gelöst sind. Ich habe darüber ausführlich berichtet.

Der Einsiedler und sein Verschlüsselungscode

Seit gestern weiß ich, dass es in den Adirondack Mountains einen weiteren Mann gab, der verschlüsselte Dokumente hinterließ: Noah John Rondeau (1883-1967). Dieser lebte als Einsiedler in einer Hütte an einem kleinen Fluss namens Cold River. Er empfing gerne Besucher und zeigte sich stets freundlich. Schnell wurde er zu einer regionalen Berühmtheit. Es gibt sogar eine eigene Web-Seite über ihn (noahjohnrondeau.com).

Rondeau-Website

Von der Regierung und der Verwaltung in seiner Heimatregion hielt Rondeau nicht viel. Daraus machte er auch in seinen umfangreichen schriftlichen Aufzeichnungen (diese hatten oft Tagebuch-Charakter) keinen Hehl. Damit man ihm daraus keinen Strick drehen konnte, wendete er ein selbst entwickeltes Verschlüsselungsverfahren an, das er im Laufe seines Lebens mehrfach änderte.

Rondeau-small

Zwei verschlüsselte Doppelseiten von Rondeau sind über die Web-Seite des Archivs des Staats New New York zugänglich. Dies ist die erste:

Rondeau-002

Und hier die zweite Doppelseite:

Rondeau-001

Code mit Hilfe eines Kompasses geknackt

Nach Rondeaus Tod gingen seine Aufzeichnungen an das Adirondack Museum über. Dort konnte man die Verschlüsselungen nicht lösen. Dies gelang jedoch 1992 einem gewissen David Greene nach Jahre langer Arbeit (hier gibt es Details dazu).

Wie zu erwarten, entpuppte sich die Verschlüsselung als Buchstaben-Ersetzung (ein komplizierteres Verfahren ist für ein Tagebuch kaum praktikabel), die Rondeau mit zahlreichen Tricks (z. B. falsch geschriebenen Wörtern) undurchschaubarer gemacht hatte. Rondeaus Geheimtext-Alphabet ist teilweise an einen Kompass angelehnt. Greene gelang der Durchbruch, als er feststellte, dass die Symbole für Nord, Süd, Ost und West für die Buchstaben N, S, E und W standen. Zu den Tricks, die sich Rondeau hatte einfallen lassen, zählte ein Zeichen, das festlegte, dass die Symbole in der folgenden Zeile auf dem Kopf standen.

In der Literatur zur Kryptologie-Geschichte tauchen die Aufzeichnungen von Noah John Rondeau meines Wissens nirgendwo auf. Dies ist erstaunlich, denn die Geschichte ist nicht neu und mehrfach veröffentlicht. Selbstverständlich habe ich Rondeaus Werk in meine Liste der verschlüsselten Bücher aufgenommen. Es hat dort die Nummer 00064.

Zum Weiterlesen: Der verschlüsselte Tagebuch-Eintrag der Isdal-Frau

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Die verschlüsselte Nachricht vom Mount Everest

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 Im Jahr 1924 starben die Briten George Mallory und Andrew Irvine beim Versuch, als erste den Mount Everest zu besteigen. Ein verschlüsseltes Telegramm meldete das Drama in ihre Heimat.

Wer bestieg als erster den Mount Everest? Die Experten sind sich weitgehend einig, dass dies im Jahr 1953 dem Neuseeländer Edmund Hillary zusammen mit dem Sherpa Tenzing Norgay gelang.

Vor allem in Großbritannien sehen jedoch einige die Briten George Mallory und Andrew Irvine als die Erstbezwinger des höchsten Bergs der Welt. Die beiden kamen 1924 von einem Besteigungsversuch nicht mehr zurück. Theoretisch ist es möglich, dass Mallory und Irvine erst auf dem Rückweg vom Gipfel verunglückten. Nicht nur Everest-Veteranen wie Reinhold Messner oder Hans Kammerlander halten es jedoch für unmöglich, dass die beiden Briten mit der damaligen Ausrüstung bei nichtoptimalen Wetterbedingungen auf der von ihnen gewählten Route tatsächlich bis auf 8848 Meter aufstiegen.

Everest

Die Diskussionen um George Mallory (er war der deutlich bessere Bergsteiger der beiden, weshalb der Besteigungsversuch meist mit seinem Namen verknüpft wird) habe ich in den letzten Jahren immer verfolgt. Dies lag sicherlich auch daran, dass mir Mallorys Nachname ins Auge sprang. “Mallory” heißt in der Kryptografie der fiktive Bösewicht, der alles abhört und versucht, Verschlüsselungen zu knacken. Sein Name ist allerdings von “mal” (“schlecht”) abgeleitet und hat mit dem gleichnamigen Bergsteiger nichts zu tun.

Neben der zufälligen Namensgleichheit gibt es noch einen anderen Grund, warum George Mallory in der Kryptografie präsent ist. Auf die Frage, warum er den Everest besteigen wolle, antwortete er einst: “Because it is there” (“Weil es ihn gibt”). Eine ähnliche Antwort geben Krypto-Historiker auf die immer wieder gestellte Frage, warum man versucht, das Voynich-Manuskript und andere alte Kryptogramme zu entschlüsseln.

Der Blog-Leser Alexander hat mich nun dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass es einen deutlich direkteren Bezug zwischen George Mallory und der Kryptografie gibt. Kurz nach dem Scheitern der Besteigung schickte nämlich ein Mitglied der Expedition ein Schreiben aus dem Basislager nach Großbritannien. Dieses wurde zunächst von einem Boten in die Stadt Pagri gebracht. Von dort ging es am 19. Juni 1924 per Telegramm nach London.

Everest-Telegram

Der Text lautet: MALLORY IRVINE NOVE REMAINDER ALCEDO.

Das Telegramm enthält zwei Codewörter: NOVE und ALCEDO. Es war damals durchaus üblich, Telegramme zu verschlüsseln, indem man wichtige Wörter durch Codewörter ersetzte. Es gab zu deisem Zweck Codebücher mit Zehntausenden von Einträgen.

Leider ist das in diesem Fall verwendete Codebuch nicht bekannt. Der Empfänger hat jedoch die Bedeutung der beiden Codewörter mit Bleistift dazugeschrieben. NOVE heißt demnach “killed in last engagement”, während ALCEDO für “arrived all in good order” steht. Damit bestätigt sich : Codebücher wurden nicht nur zum Verschlüsseln, sondern auch zum Verkürzen von Telegrammen eingesetzt (je kürzer ein Telegramm, desto billiger). In vielen Fällen war das Verkürzen sogar der eigentliche Grund, ein Codebuch zu nutzen.

Entschlüsselt lautet das Telegramm: MALLORY IRVINE KILLED IN LAST ENGAGEMENT, REMAINDER ARRIVED ALL IN GOOD ORDER. Auf Deutsch etwa: “Mallory und Irvine sind beim letzten Vorhaben ums Leben gekommen, alle anderen sind heil angekommen.”

Die Bedeutung des Worts OBFERRAS, das über der eigentlichen Nachricht steht, ist mir leider nicht bekannt. Vielleicht weiß ein Leser mehr.

Dieses Mallory-Telegramm ist zweifellos eines der schönsten Beispiele für einen Text, der mit einem Codebuch verschlüsselt wurde. Seltsamerweise wird es in keinem mir bekannten Krypto-Buch erwähnt. Um so schöner, dass mich der Leser Alexander darauf hingewiesen hat.

Zum Weiterlesen: Die verschlüsselten Nachrichten eines Polarforschers

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Verschlüsselter Text von Alan Turing nach über 70 Jahren gelöst

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Meister-Codeknacker George Lasry hat wieder zugeschlagen: Er hat ein Kryptogramm gelöst, das der berühmte Mathematiker Alan Turing im Jahr 1941 erstellt hat. Zwei Fragen bleiben aber noch offen.

Spätestens seit dem Spielfilm The Imitation Game dürfte wohl jeder wissen, wer Alan Turing war.

Falls es jemand trotzdem noch nicht weiß: Alan Turing (1912-1954) war einer der bedeutendsten Mathematiker und Informatiker des 20. Jahrhunderts. Unter anderem spielte er eine entscheidende Rolle beim Knacken der deutschen Verschlüsselungemaschine Enigma durch die Briten im Zweiten Weltkrieg.

Turing

Vorletzte Woche traf ich auf dem NSA Cryptologic History Symposium auf den Neffen von Alan Turing. Dieser heißt Sir Dermot Turing. Das folgende Foto zeigt ihn zusammen mit Debbie Desch, der Tochter von Alan Turings US-Kollegen Joseph Desch (Foto: Jim Oram).

Turing-Desch-Oram

Das Turing-Kryptogramm

Außerdem gab mir der Mathematik-Professor und Turing-Experte Sandy Zabell auf dem Symposium einen interessanten Tipp: Vor drei Jahren hat das Britische Nationalarchiv einen Fachaufsatz von Alan Turing aus dem Jahr 1941 veröffentlicht. Darin beschreibt Turing unter anderem, wie man Transpositionschiffren (also Verschlüsselungsverfahren, die die Reihenfolge der Buchstaben im Klartext ändern) knackt. Einen auf diese Weise verschlüsselten Text (Inhalt ist “a certain kind of German traffic“) überlässt Turing seinen Lesern als Übung:

S A T P T W S F A S T A U T E
E A I E U F H W T J T D D C C
N L T S E F C U I E B O E Y Q
H G T J T E E F I E O R T A R
U R N L N N N N A I E O T U S
H L E S B F B R N D X G N J H
U A N W R

Das verwendete Verschlüsselungsverfahren stammt aus der Familie der Transpositionschiffren. Es wird im Deutschen als Würfel-Verfahren bezeichnet. Für seine Anwendung benötigt man ein Schlüsselwort (z. B. TELEPOLIS) und schreibt dieses wie folgt über den zu verschlüsselnden Text (z. B. ERWARTE MORGEN NEUE LIEFERUNG):

TELEPOLIS
---------
ERWARTEMO
RGENNEUEL
IEFERUNG

Anschließend werden die Spalten so umgeordnet, dass die Buchstaben des Schlüsselworts in alphabetischer Reihenfolge stehen:

EEILLOPST
---------
RAMWETROE
GNEEUENLR
EEGFNUR I

Der verschlüsselte Text wird nun spaltenweise ausgelesen. Er lautet: RGEAN EMEGW EFEUN TEURN ROLERI.

Laut Sandy Zabell konnte bisher niemand das Würfel-Kryptogramm von Turing lösen. Damit ergab sich eine spannende Geschichte: Ein Verschlüsselungsrätsel des berühmten Alan Turing, das noch auf seine Lösung wartete.

George Lasry knackt den Code

Auch George Lasry, den Leser dieses Blog längst als Meister-Codeknacker kennen, freute sich über den Tipp von Zabell. Er machte sich an die Arbeit und versuchte, das Turing-Kryptogramm zu knacken.

Lasry-01

Vor ein paar Tagen erhielt ich eine Mail von George Lasry. Er schrieb: Das Turing-Kryptogramm ist gelöst.

Lasry ermittelte folgenden Klartext:

BANTOS R BANTOS STATT FINDET HEUTE ABEND AUF SPERRUN Q ACHT FUNF ACHT NUL WIRD HINGEWIESEN WEITERES FOLGT

Damit wäre das Kryptogramm geknackt. Doch was bedeutet “Bantos” und was bedeuten die Zahlen? Kann ein Leser diesbezüglich weiterhelfen?

Natürlich wollte ich außerdem wissen, wie George Lasry die Lösung gefunden hat. Er schrieb mir: “I developed an algorithm for single transposition ciphers two years ago. Interestingly enough, it relies on similar statistical analysis that Turing describes in his paper, combined with modern optimization techniques (in this case hillclimbing). This challenge was of medium difficulty mainly because the non German word BANTOS and of the use of X, Y and J for punctuation.”

Das Schlüsselwort ließ sich, wie bei einer Würfel-Verschlüsselung üblich, nicht eindeutig bestimmen. Es könnte laut Lasry DFBLEJAGHKCI gelautet haben. Viel wahrscheinlicher wäre allerdings ein sinnvolles Wort, das zur gleichen Umordnung führt. Findet ein Leser ein passendes Schlüsselwort?

Wer mehr über George Lasrys Arbeit wissen will, sollte sich das Video von seinem Vortrag beim NSA Cryptologic History Symposium anschauen. Hier ist es (das Turing-Kryptogramm wird darin jedoch nicht erwähnt):


Zum Weiterlesen: Action-Line-Kryptogramm: Top-25-Krypto-Rätsel nach 78 Jahren gelöst

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Blog-Leser löst Top-25-Verschlüsselungsrätsel

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Im 16. Jahrhundert veröffentlichte ein italienischer Kryptologe zehn Übungsaufgaben. Vier davon waren bis vor Kurzem ungelöst. Dank Blog-Leser Norbert Biermann sind es jetzt nur noch zwei. Damit ist ein weiteres Rätsel aus meiner Top-25-Liste (teilweise) gelöst.

Der Italiener Giovan Battista Bellaso (geboren 1506) gehörte zu den wichtigsten Kryptologen seiner Zeit. Bellaso veröffentlichte drei Kryptologie-Bücher. In diesen finden sich die frühesten kryptologischen Übungsaufgaben, von denen wir wissen. Insgesamt führte Bellaso (in zweien seiner Bücher) zehn Kryptogramme auf, die der Leser dechiffrieren sollte.

Die ersten drei Übungsaufgaben sind in der 1555 erschienenen Ausgabe des Buchs La Cifra del Sig. Giovan Battista Belaso enthalten. Weitere sieben, etwas kürzere Kryptogramme, wurden 1564 in Il Vero Modo di Scrivere in Cifra veröffentlicht. Die Lösungen gab Bellaso nicht an.

 

Tony Gaffney knackte sechs der Aufgaben

2006 stellte der italienische Kryptologie-Historiker Augusto Buonafalce Bellasos Übungsaufgaben in der Fachzeitschrift Cryptologia vor. 2009 veröffentlichte der Brite Nick Pelling die Aufgaben in seinem Blog . Danach überschlugen sich die Ereignisse:

  • 31. März 2009: Der britische Meister-Codeknacker Tony Gaffney findet die Lösung zu Aufgabe 6 aus dem zweiten Buch.
  • 19. März 2009: Gaffney postet zwei weitere Lösungen – Nummer 1 und 2 aus dem zweiten Buch.
  • 27. April 2009: Gaffney löst Nummer 7 aus dem zweiten Buch.
  • 5. Mai 2009: Gaffney löst Nummer 3 und 4 aus dem zweiten Buch.

Gaffney hatte damit sechs Bellaso-Aufgaben gelöst. Vier blieben übrig, darunter alle drei Kryptogramme aus dem ersten Buch. Diese vier Aufgaben nahm ich 2013 in meine Liste der 25 größten ungelösten Krypto-Rätsel auf. Sie stehen (gemeinsam) auf Position 20.

Meine Top-25-Liste hat erfreulicherweise zahlreiche Codeknacker auf den Plan gerufen. 2014 konnte ich den ersten Eintrag streichen, denn meine Leser hatten Rätsel Nr. 24 (das Action-Line-Kryptogramm) gelöst. Auch die Doppelwürfel-Challenge (Platz 5) und das Konkordientags-Kryptogramm (Platz 20) konnte ich inzwischen ad acta legen.

 

Da waren es nur noch zwei

Vor ein paar Tagen sah ich dann, dass ein weiteres Top-25-Rätssel wackelte. Norbert Biermann, der den Lesern dieses Blogs längst als hervorragender Codeknacker bekannt ist, vermeldete in einem Kommentar zu meinem Bellaso-Artikel von 2013, dass er zwei weitere Bellaso-Kryptogramme gelöst hatte. Eine Prüfung ergab, dass beide Lösungen korrekt waren. Dies ist ein toller Erfolg und zweifellos ein weiterer Höhepunkt in der Geschichte dieses Blogs!

Nick Pelling hat auf seiner Web-Seite alle zehn Bellaso-Kryptogramme transkribiert. Hier gibt es eine deutsche Zusammenfassung. Für uns sind jetzt natürlich diejenigen Kryptogramme interessant, die Norbert Biermann gelöst hat. Um die Lösungen zu beschreiben, übernehme ich im Folgenden weitgehend die Erklärungen von Norbert Biermann.

 

Lösung der 1. Aufgabe von 1555

Das Kryptogramm  lautet (laut Pelling):

Frzf polh hebx  ghqf xtou ulfh  gihm  qbgn* yoep  rpmi  porn  zngy
gzop  zctm  qdfl hian bxbu  dqmt dnul ayxm cars gsgc  xrch omdo
cgmh hxpc  bom*f rntr  oyqz  zhim  hsph  mphr xrfh omd’a updq bedp
rhxe flfg  dqlb  dcdq cxrf glmb  pctq  pnpy  fdeo  zcxt braz bude
qpyh  gnfp beinu ndqa  ngxn  bloc auyu  btos iblx  fbyid  fxyh mctf
tmoz  fhlb  aich oqep luzi  ucxe  nctb ghpz  lbxu flzs  myxt  nbon*
loge nxhq  xyef nzgh  ryrd myrf  qfao  dqse  tryr  cqtx ddbx nscu
hpnq  qscq  hqry  gnsp  huam pfpn  fdcg tbsn lman  smlb  zcmb easa
qemb udoa  cxph  rsqgf  yrnf fgep itia  amsy acih sxth tsfd  cxph
lyni  rupt ygdr  enqn  nfhi  enbe* engc  monb qogt  rszy clcx aldu
ayix ttis  phms asbl cpix gnsr tyeo qxrf yedx  mtgix rhcm  xuhf
sghr opbg slbo cecu  flhb  npfc e*rep gdqv  bzpr  haum prpc  doxd
qylp hqfq  dimtu ibgs xelc hgsh  zumh qbxa  xcqt pilb  ocud  slgl
hgdh  uhpd  hbxe  fltq  yayg  bdcle gmtn  umni  utpl  tufq bdzo  sfzb
yezd  xnqc  opcy  pyhq  efso zsbm ornd  hudc  nulr  ryrn pxlnu tgdaz

Norbert Biermann fand folgenden Schlüssel: xmseptfirnbucdgahlqoyz. Dazu dürfte ein Schlüsselwort (oder eher eine Schlüsselphrase) gehört haben, das Biermann bislang jedoch nicht ermitteln konnte. Man muss dazu wissen, dass in diesem System von 1555 die Vokale im Schlüssel auf feste Positionen gesetzt werden (Buchstabe Nr. 4, 8, 12, 16, 20) – in welcher Reihenfolge, wird durch die Schlüsselphrase bestimmt. Deswegen ist von der Schlüsselphrase nur bekannt, in welcher Reihenfolge Vokale in ihr auftauchen, nämlich eiu(ao), und die Reihenfolge ihrer Konsonanten: xmsptfrn(bcd…). Das sieht nach einem lateinischen Ausdruck aus, der mit “ex” oder “eximius” beginnen könnte.

Nun gibt es eine Reihe von elf reziproken Substitutionsschlüsseln. Die obere Reihe bleibt konstant, die untere rotiert:

             xmseptfirnb
========================
X,E key #0:  ucdgahlqoyz
M,I key #1:  zucdgahlqoy
S,V key #2:  yzucdgahlqo
P,A key #3:  oyzucdgahlq
T,O key #4:  qoyzucdgahl
F,R key #5:  lqoyzucdgah
N,B key #6:  hlqoyzucdga
C,D key #7:  ahlqoyzucdg
G,H key #8:  gahlqoyzucd
L,Q key #9:  dgahlqoyzuc
Y,Z key #10: cdgahlqoyzu

(Für die Bedeutung der Großbuchstaben siehe weiter unten.)
Jede Buchstabengruppe wurde mit einem bestimmten Schlüssel chiffriert:

frzf polh hebx ghqf xtou ulfh gihm qbgn* yoep rpmi porn zngy
2    1    2    0    5    8    4    1     6    4    0    5
alma gnif icoy etil lust reys igno rypõ  peoy auog aroy pare

gzop zctm qdfl hian bxbu dqmt dnul ayxm cars gsgc xrch omdo
6    4    2    9    2    1    7    3    4    2    2    1
ntey etco npar eysu oyos erua ndis imoy tray tute ylei nuen

cgmh hxpc bom*f rntr oyqz zhim hsph mphr xrfh omd'a updq bedp
4    2    4     0    5    9    2    0    2    1     7    1
tion iyde lmõd  oyho semp reyg iudi cato ylai nuẽt  ione ydeg

rhxe flfg dqlb dcdq cxrf glmb pctq pnpy fdeo zcxt braz bude
2    2    1    1    2    1    2    0    5    8    4    1
liyc arat eriy eser eyla piuy degn ayan ciys ingo lare ymed

qpyh gnfp beinu ndqa ngxn bloc auyu btos iblx fbyid fxyh mctf
0    0    3     0    5    1    3    1    2    5     0    8
iant eyla quale ysip arla yins ieme yanc hory chedi lunt anoy

tmoz fhlb aich oqep luzi ucxe nctb ghpz lbxu flzs myxt nbon*
4    8    3    6    7    2    1    4    2    9    3    1
come ysed iapr esoy sifu seyc osay inue roys opra ymod oynõ

loge nxhq xyef nzgh ryrd myrs qfao dqse tryr cqtx ddbx nscu
6    0    5    4    5    4    0    5    0    7    2    2
meno yuti leyc hein gegi osay ilpr imoy hono reya ppoy ques

hpnq qscq hqry gnsp huam pfpn fdcg tbsn lman smlb zcmb easa
0    2    0    0    3    0    5    1    3    1    2    5
tayi nuen tion eyda reiy alay cifr ayco nyil cuiy mezo ynon

qemb udoa cxph rsqgf yrnf fgep itia amsy acih sxth tsfd cxph
6    1    2    2     0    6    1    4    3    7    1    2
sola ment eydi lunta noyl unoy lalt roys ipar laym ache eydi

lyni rupt ygdr enqn nfhi enbe* engc monb qogt rszy clcx aldu
9    7    4    5    3    1     6    1    6    4    2    3
piuy cioy sifa yama lgra doyd' ogni unoy senz ayes erey inte

ayix ttis phms asbl cpix gnsr tyeo qxrf yedx mtgix rhcm xuhf
9    1    4    2    6    0    5    0    5    0     4    2
siyd aalc unoy fuor iych eydo ueys iuol eyil chequ anto ysia

sghr opbg slbo cecu flhb npfc e*rep gdqv bzpr haum prpc doxd
2    6    1    2    2    0    6     1    4    3    7    1
util eyan ciyn eces ario yalm õdoy  pert leua riey ocor enze

qylp hqfq dimtu ibgs xelc hgsh zumh qbxa xcqt pilb ocud slgl
7    0    3     4    6    4    4    2    7    1    7    1
etso tili tayde gliy homi niyn epon noyf arey gliy prin cipi

hgdh uhpd hbxe fltq yayg bdcle gmtn umni utpl tufq bdzo sfzb
0    7    2    1    9    2     4    3    1    8    6    4
test imon ioyc hiar isim operc ioch eyla magi oryp arte ydel

yezd xnqc opcy pyhq efso zsbm ornd hudc nulr ryrn pxlnu tgdaz
5    0    7    0    5    4    0    2    7    0    3     4
eypi uyim port anti ycos eylo roys ispe disc onoy conle cifre

(Anmerkung: In Zeile 7 hat Norbert Biermann die sechste Gruppe von myrf auf myrs korrigiert, was definitiv mehr Sinn macht; und wenn der Setzer mit “langem s” [ſ] gearbeitet hat, könnte myrf durchaus ein Lesefehler sein.)

Das ergibt folgenden Klartext:

Al magnifico et illustre Signore Põpeo [=Pompeo] Avogaro parente et conpare suo os[s]ervandis[s]imo.
Tra tut[t]e le inventioni del mõdo [=mondo] ho sempre giudicato la invẽtione [=inventione] degli carat[t]eri es[s]ere la più degna anci singolare; mediante laquale si parla insieme anchor che di luntano come se di apres[s]o. Si fus[s]e cosa invero sopra mo[n]do nõ [=non] meno utile che ingegiosa [ingegnosa]? Il primo honore appò questa inventione darei à la cifra con il cui mez[z]o non solamente di luntano l’uno l’altro si parla, ma che di più ciò si fa à malgrado d’ogni uno senza es[s]ere intesi da alcuno fuori che dove si vole il che quanto sia utile anci neces[s]ario al mõdo [=mondo] pert [per] le varie oc[c]orenze et sot[t]ilità degli homini. Ne ponno fare gli principi testimonio chiaris[s]imo per ciò che la mag[g]ior parte del[l]e più importanti cose loro si spediscono con le cifre.

Die Abfolge der verwendeten Schlüsselalphabete (2120584…) ist nicht zufällig, sondern wird durch eine zweite Schlüsselphrase festgelegt, die Bellaso “Contrasegno” nennt. Jeder Buchstabe des Contrasegno steht für ein Schlüsselalphabet, wofür die aus Großbuchstaben bestehende linke Spalte der Schlüsseltabelle verwendet wird. Den hier verwendeten Contrasegno konnte Biermann herausfinden, es sind Verse von Vergil (Ekloge 3, Vers 28-31):

vis ergo, inter nos, quid possit uterque, vicissim
212 0584  16405 642  9217 342214 2405920  21712211 212... (wiederholt bis Ende von Zeile 4)

experiamur? ego hanc vitulam (ne forte recuses,
0030513125  084 8367 2142931  60 54540 5072202 003... (wiederholt bis Ende von Zeile 8)

bis venit ad mulctram, binos alit ubere fetus)
612 20614 37 12974531  61642 3914 26050 50422 612... (wiederholt bis Ende von Zeile 12

depono: tu dic, mecum quo pignore certes.
703464  42 717  10721 924 3186450 705402 7034

 

Lösung der 5. Aufgabe von 1564

Es gibt fünf Alphabete, die jeweils einen reziproken Substitutionsschlüssel darstellen (jeder Buchstabe wird mit dem verschlüsselt, der direkt über oder unter ihm steht – die Entschlüsselung funktioniert genauso). Dabei bleibt die obere Reihe immer gleich und die untere rotiert:

#1 bacdefghlm
___tisnopqrux

#2 bacdefghlm
___xtisnopqru

#3 bacdefghlm
___uxtisnopqr

#4 bacdefghlm
___ruxtisnopq

#5 bacdefghlm
___qruxtisnop

Offensichtlich benutzte Bellaso hier seinen zweiten Vornamen als Schlüsselwort: BATTISTA.

Der erste Klartextbuchstabe wird mit Schlüssel #1 chiffriert, und dann wechselt der verwendete Schlüssel mit jedem Buchstaben zyklisch (12345123451…), mit einer Ausnahme: Nach einem Klartext-‘x’ (das als Worttrenner benutzt wird) bleibt der Schlüssel für den nächsten Buchstaben der gleiche. Man erhält

EUFEMEASGGMCN FLFBNMGTMNNBFD BLCAXTM HCFXFFCBQDCA
1234512345112 34512345112345 5123345 123451234551
omnipotensxse npiternexdeusx quixadp rincipiumxui

MECTFOCAFHGMFNMATDCMIDIOIDFEABABUHEDAPHXOBDXPCIBMDBEL
23445123345112345123455123451223451233451223451223451
usxdieixnosxperuenirexfecistixtuanosxhodexsaluaxuirtu

ASCAEISAFAOUMAIIUUCFIPLDAHIUSTCAP
234451233451233451234512334512345
texutadxnulluxdeclinemusxpeccatum

Der Klartext ist ein lateinisches Stundengebet:

Omnipotens senpiterne [sempiterne] deus, qui ad principium [h]uius diei nos pervenire fecisti; tua nos hod[i]e salva virtute, ut ad nullu[m] declinemus peccatum.

 

Eine geniale Dechiffrier-Leistung

Ich muss wohl nicht betonen, dass Norbert Biermann erstklassige Arbeit geleistet hat. Ich bin total begeistert und stolz, dass ich mit meinem Blog den Anstoß zu diesem tollen Erfolg geben konnte.

Zum Weiterlesen: Blog-Leser Norbert Biermann löst Verschlüsselung aus dem Ersten Weltkrieg

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Ein einzigartiger kryptologischer Schatz: Die 44 verschlüsselten Postkarten eines Musikers

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Ist das die kryptologische Neuentdeckung des Jahres? Der Musiker Josef Fröwis (1866-1934) verschickte und empfing insgesamt 44 verschlüsselte Postkarten – eine schöner als die andere.

Verschlüsselte Postkarten sind ein Dauerbrenner auf Klausis Krypto Kolumne. Es gibt sehr viele davon – geschrieben meist von jungen Männern an ihre Angebetete. Gibt es einen schöneren Liebesbeweis?

Die bisher größte mir bekannte Sammlung verschlüsselter Postkarten, die von derselben Person verschickt wurden, stellte ich vor zwei Jahren auf Klausis Krypto Kolumne vor. Es handelt sich um 35 verschlüsselte Liebesgrüße des Musikers Albert Pohrt an seine Braut Lieschen.

Dieser Rekord wurde nun überboten: Das Bregenzerwald Archiv hat mir dankenswerterweise eine Sammlung von nicht weniger als 44 verschlüsselten Postkarten zur Verfügung gestellt, die alle von einer Person verschickt (oder in einigen Fällen empfangen) wurden. Kurioserweise ist der fleißige Verfasser wieder ein Musiker: Josef Fröwis (1866-1934). Die Postkarten stammen vermutlich aus der Zeit zwischen 1898 und 1900.

Die Geheimschrift, die Fröwis verwendete, sieht der von Albert Pohrt zum Verwechseln ähnlich – beide nutzten musikalische Symbole zum Verschlüsseln. Einen Zusammenhang muss es deshalb nicht unbedingt geben, schließlich liegt es nahe, dass ein Musiker mit musikalischen Symbolen verschlüsselt. Erwartungsgemäß sind auch diese Karten fast alle an die Geliebte des Verfassers gerichtet: eine Theresia Metzler aus Reuthe in Vorarlberg.

Im Folgenden stelle ich einige der Karten von Fröwis vor. Die gesamte Sammlung gibt es auf einer eigenen Webseite, die ich nach und nach mit allen Vor- und Rückseiten und den Entschlüsselungen füllen werde. Die Nummerierung der Karten erfolgt gemäß dem vom Archiv verwendeten System. Die letzten drei Stelle geben eine Nummer zwischen 001 und 044 an.

Bedanken möchte ich mich bei Karin Netter vom Bregenzerwald Archiv, die die Karten entschlüsselt und mir die Scans zur Verfügung gestellt hat, sowie bei Sabine Sutterlütti für den Hinweis auf diese tolle Sammlung und natürlich bei deren Besitzer, Wilhelm Hollenstein.

 

I-129 PK009

Auf dieser Karte hat sich Josef Fröwis so richtig ausgetobt: eine zweifarbige Schrift und die Zeilen in einem schönen Muster. Wenn schon die Schrift ein Herz bildet, muss es wahre Liebe sein.

I-129 PK009v-small

Die Karte wurde am 7. November 1899 aus Bezau verschickt. Frau Netter hat sie wie folgt entschlüsselt:

O SÜSSE LIEBE BRAUT!!! O SIEHE! LIEBE SÜSSE THERESIA!!! O! WELCH EIN SCHÖNES FAMILIENBILD!!!! ACH, HÄTTEN ES DOCH AUCH WIR SCHON ERREICHT!!!!! AM ENDE IST DIE GROSSE STICKMASCHINE WIEDER EIN HINDERNISS! JA F(A)ST GANZ GEWISS. ICH MUSS ÜBER DIESEN PUNKT DIR HEUTE UNBEDINGT MEHRERES SAGEN!!! ICH MUSS DEM VATER UNTERHOSEN MITNEHMEN UND DAS HALSTUCH; WENN DIE MUTTER ZU HAUSE IST SO GEHE ICH! KOMME HEUTE BIS ½ 8 UHR. LEBE WOHL!!! HERZLICH UMARMT UND KÜSST DICH JOSEF!!! LIEBE! THEURE! RESI!

 

I-129 PK031

Bei dieser Karte ist leider unklar, woher sie stammt. Vielleicht kann ein Leser etwas zum Motiv sagen. Handelt es sich um eine Hafeneinfahrt am Bodensee?

I-129 PK031v-small

Ein Datum ist nicht erkennbar. Der Klartext sagt auch nicht viel aus:

RESI SÜSSE RESI! 1000 KÜSSE UND GRÜSSE!! DEIN JOSEF!

 

I-129 PK033

Diese Karte ist etwas schlichter gehalten.

I-129 PK033v-small

Leider ist wieder kein Datum erkennbar. Der Klartext lautet wie folgt:

HERZLIEBE BRAUT!
MEIN AL=
LES!!!
NEHME EINIGE TAGE, ANSTATT 2 NUR 1 LÖFFEL VOLL EIN!
JOSEF EWIG
DEIN!

 

I-129 PK038

Bei dieser Karte ist Josef Fröwis wieder etwas kreativer geworden.

I-129 PK038v-small

Datum und Poststempel sind leider nicht mehr erkennbar, da die  Marke abgerissen wurde. Der Absendeort ist wahrscheinlich wieder Bezau im Bregenzerwald. Den Klartext hat Frau Netter wie folgt ermittelt:

DU MEINE SÜSSE HERZIGE RESI!!! GOTT SEI DANK DASS ICH GESTERN UNTEN WAR!!! KOMME VIELLEICHT HEUTE BIS NEUN UHR WIEDER VOR DAS KÜCHENFENSTER. O LIEBE THEURE THERES, ICH BITTE DICH SO INNIG, SO DRINGEND, SO HERZLICH, MIT GEFALTETEN HÄNDEN VOR DIR KNIEEND: ACH! LASS DAS TANZEN GANZ UND ICH VERSPRICH DIR DAFÜR HOCH UND THEUER UND HEILIG, IM GANZEN LEBEN NIE ETWAS ABZUSCHLAGEN, JEDE BITTE, JEDEN WUNSCH DIR ZU ERFÜLLEN!!!!! O SÜSSE RESI, MEINE UNENDLICH GELIEBTE BRAUT!!!! ERHÖRE MICH DOCH!!!!! BITTE!!!! BITTE!!!!! BITTE!!!!!!! ACH, LÄGE ICH AN DEINEM HERZEN UND ICH KÜSSTE DICH OHNE ENDE WIE GESTERN NACHT DEIN BILD: EWIG TREU, DEIN JOSEF FRÖWIS

 

I-129 PK042

Dieser Brief stammt nicht von Josef Fröwis, sondern wurde an ihn geschrieben. Absender war sein Bruder Max.

I-129 PK042v-small

Offenbar kannte Max die Geheimschrift auch, verwendete sie aber nur für eine kurze Passage. Der Klartext:

Lb. Bruder!/ Heute auf der Durchreise hier. Übernachte im Hotel z. d. drei Raben./ Habe mir hier einiges angesehen. Morgen nach Nürnberg. Leb` wohl!/ 1000 Grüße an Dich, THERES UND KATHI! V: D: ST: TR: Bruder Max

 

Demnächst mehr

Ich freue mich, dass ich diesen kryptologischen Schatz auf meinem Blog vorstellen kann. Einige weitere Postkarten aus der Sammlung gibt es demnächst.

Zum Weiterlesen: Ungelöst: Vier verschlüsselte Rugby-Postkarten

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Wie ein US-Professor einen verschlüsselten Brief aus dem 19. Jahrhundert löste

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US-General Robert E. Lee (1807-1870) verschickte 1864 einen verschlüsselten Brief. 2016 wurde er dechiffriert.

In New York und Umgebung leben viele Leute, die sich in der historischen Kryptologie einen Namen gemacht haben. Der Bekannteste davon ist sicherlich David Kahn, den man als Vater dieser Disziplin bezeichnen kann. Auch Gary Klivans, über dessen Arbeiten im Bereich Gang-Codes ich schon öfters berichtet habe, wohnt in dieser Gegend.

Zu den zahlreichen anderen New Yorker Code-Experten gehört der Informatik-Professor Kent Boklan. Dieser hat in den letzten Jahren zwei verschlüsselte Texte aus dem Sezessionskrieg und außerdem zwei verschlüsselte Tagebücher gelöst – und jeweils einen Artikel in der Cryptologia darüber veröffentlicht.

Nachdem ich schon mehrfach per E-Mail mit Kent Boklan Kontakt hatte, hatte ich im vergangenen März Gelegenheit, ihn persönlich zu treffen. Natürlich hatten wir vieles zu fachsimpeln. Dabei erwähnte er seine nächste kryptohistorische Arbeit: Er hatte einen verschlüsselten Brief von Robert E. Lee (1807-1870) dechiffriert. Lee war ab Januar 1865 der Oberbefehlshaber des Südstaaten-Heeres im US-Sezessionskrieg. Er zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten der US-Geschichte.

Lee

 

Der verschlüsselte Brief

Inzwischen ist Boklans Artikel über den besagten verschlüsselten Brief in der Cryptologia erschienen. Der Brief gehört einem privaten Sammler. Dieser kontaktierte Boklan Anfang 2016 mit der Bitte, das Schreiben zu entschlüsseln. Es handelt sich um eine kurze Mitteilung vom 19. Dezember 1864. Der Sezessionskrieg war zu diesem Zeitpunkt in vollem Gange. Lee war als General (aber noch nicht als Oberbefehlshaber) der Südstaaten aktiv. Empfänger des Briefs war Alexander Lawton, ein weiterer Südstaaten-General.

Lee-Letter-Boklan

Die in Großbuchstaben geschriebenen Passagen sind verschlüsselt, dazwischen finden sich Klartext-Passagen.

Wie man heute weiß, nutzten die Südstaaten im Sezessionskrieg das Vigenère-Verfahren, wobei nach aktuellem Stand der Forschung insgesamt nur vier verschiedene Schlüsselwörter zum Einsatz kamen: MANCHESTERBLUFF, COMPLETEVICTORY, COMERETRIBUTION und BALTIMORE.

 

Wie Kent Boklan die Verschlüsselung knackte

Boklan hätte nun diese vier Schlüssel ausprobieren können, doch er wählte einen anderen Ansatz. Er betrachtete die folgende Textstelle:

at 9 a.m. IZQHVMWY.

Er fragte sich: Was könnte hinter der Uhrzeit (9 Uhr) stehen? Von der Länge her kamen beispielsweise TUESDAY und SATURDAY infrage. Diese Wörter führten jedoch zu keinen plausiblen  Vigenère-Schlüsseln.

Als nächstes probierte Boklan das Wort TOMORROW, das ebenfalls die passende Länge hatte. Und tatsächlich, dieses Mal ergab sich als Schlüssel-Bestandteil PLETEVIC.

Damit war klar: Lee hatte das in der Forschung längst bekannte Schlüsselwort COMPLETEVICTORY verwendet. Boklan ermittelte damit folgenden Klartext:

A BRIGAD of TWO THOUSAND MEN FOR WILMINGTON ordered TO DANVILLE DEPOT at 9 am TOMORROW. Notify LONGSTREET at what hours TRANSPORTATION FOR THREE STEERS of same SIZE will be READY

Boklans Arbeit bestätigte wieder einmal: Die Verschlüsselungsverfahren des US-Sezessionskriegs waren nicht die besten. Das Vigenère-Verfahren war bereits damals lösbar, und obendrein wechselte man den Schlüssel viel zu selten.

Es sollte noch ein paar Jahrzehnte dauern, bevor die USA in den zwanziger Jahren schließlich zur weltweif führenden Kryptografie-Nation wurde, die sie heute noch ist.

Zum Weiterlesen: Top-25 der ungelösten Verschlüsselungen – Platz 8: Der Ticketschalter-Räuber von Ohio

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Codeknacken im Dienste der Geschichtsforschung – das gab es bereits 1870

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Bereits im 19. Jahrhundert gab es Codeknacker, die Verschlüsselungen aus rein historischem Interesse lösten. Heute kann ich ein Beispiel vorstellen, das lange in Vergessenheit geraten war.


“Warum macht man das eigentlich?” Diese Frage wurde mir schon öfters gestellt, wenn ich davon erzähle, wie unermüdliche Codeknacker Verschlüsselungen aus vergangenen Jahrhunderten lösen und wie ich auf meinem Blog Klausis Krypto Kolumne darüber schreibe.

 

Eine Erfindung der Romantik

Natürlich gibt es viele Gründe, warum man Verschlüsselungen löst – sei es, um jemanden auszuspionieren, oder um einen versteckten Schatz zu finden. Manchmal ist jedoch ein ganz anderes Motiv die Antriebskraft: das Interesse an den historischen Hintergründen. Verschlüsselte Texte geben nun einmal einen unverstellten Einblick in die Lebenswelt unserer Vorfahren, und oft haben diese gerade die wichtigen Informationen verschlüsselt.

Die Idee, Verschlüsselungen aus rein historischem Interesse zu knacken, kam im 19. Jahrhundert (also im Zeitalter der Romantik) auf. Dies ist kein Zufall, denn in der Romantik erlebte die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte einen großen Aufschwung. Allerorten entstanden Museen. Alte Gebäude wurden nicht mehr bedenkenlos abgerissen, sondern als Kulturgut geschätzt. Alte Gegenstände galten auf einmal als Antiquitäten und wurden zu Liebhaber-Objekten. Die Brüder Grimm sammelten alte Märchen und Sagen, König Ludwig II. baute Schloss Neuschwanstein im mittelalterlichen Stil (oder was man damals dafür hielt), und der Kölner Dom wurde – nach Jahrhunderten als Bauruine – vollendet.

Dieser Geist beeinflusste auch die Kryptologie. Der französische Kryptologe Étienne Bazeries löste 200 Jahre alte verschlüsselte Briefe, in denen er Informationen zum Mann mit der Eisernen Maske vermutete. Über weitere historische Codeknacker aus dieser Zeit berichte ich in meinem Buch Codeknacker gegen Codemacher.

 

Ein Kryptogramm aus England

Frau Dr. Ruth Wüst von der Aargauer Kantonsbibliothek hat mir nun freundlicherweise Informationen zu einem weiteren Beispiel für historisch motiviertes Codeknacken aus der Romantik-Epoche zukommen lassen. In der gängigen Literatur zur Krypto-Geschichte wird dieses nirgends erwähnt.

Es handelt sich um einen Artikel mit dem Titel The Translation of an  Ancient Formula of Magical Exorcism, Written in Cipher, der 1870 in der Januar-Ausgabe der Zeitschrift The Reliquary veröffentlicht wurde. Autor ist ein George Dodds. Gegenstand des Artikels ist ein Zettel, der 40 Jahre zuvor hinter einer Platte auf einem Grabstein in Lancashire gefunden wurde. Er sieht wie folgt aus:

Reliquary-Cryptogram

Offensichtlich ist der Text in einer Gehimschrift geschrieben. Dodds konnte diese wohl lösen. Leider ist kein Lösungsweg angegeben. Vielleicht handelt es sich auch um eine nichtgeheime Schrift, die ich nicht kenne.

Oben links steht (mit einigen Schreibfehlern) ein magisches Quadrat, das sich wie folgt entschlüsselt:

Reliquary-Cryptogram-Square

Die Summe aller Spalten, Zeilen und Diagonalen beträgt jeweils 111. Auf der rechten Seite steht AGLA EN TETRAGRAMMATON. Das bedeutet “AGLA in einem Vier-Buchstaben-Wort”. AGLA ist eine jüdische Abkürzung, die etwa mit “Oh Herr, du bist für immer mächtig” übersetzt werden kann.

Der Klartext des Kryptogramms unter dem Quadrat lautet:

Sol

Wir haben es hier also mit einem lateinischen Gebet oder einer spirituellen Formel zu tun. Auf eine Übersetzung muss ich leider verzichten. Der Zettel stammt vermutlich aus dem 17. Jahrhundert. Viele Gelehrte maßen der Verschlüsselungstechnik damals noch eine magische oder religiöse Wirkung zu.

Zum Glück sind heutige Fachartikel zur historischen Verschlüsselungstechnik meist etwas besser geschrieben. Ein paar Angaben zur Methode der Dechiffrierung und eine Ersetzungstabelle wären sicherlich sinnvoll gewesen. Aber egal, ich finde es allemal interessant, dass man sich bereits vor 150 Jahren mit solchen Themen beschäftigte. George Dodds würde heute bestimmt Klausis Krypto Kolumne lesen.

Zum Weiterlesen: Wer löst diese Verschlüsselung aus dem Jahr 1783?

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Kryptogramm aus dem Zweiten Weltkrieg gelöst, zwei ähnliche Rätsel noch nicht

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Blog-Leser Rossignol hat eine Punktchiffre aus dem Zweiten Weltkrieg gelöst. Zwei weitere Punktchiffren warten dagegen noch auf ihre Dechiffrierung.

English version (translated with DeepL)

Der folgende Scan zeigt eine Weihnachtskarte, die William und Elizebeth Friedman im Jahr 1931 verschickt haben:

Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht erkennt, handelt es sich hier um einen verschlüsselten Text. Die y-Achse des Diagramms ist mit den Buchstaben von A bis Z beschriftet. Liest man die Diagrammpunkte von links nach rechts (teilweise stehen mehrere in einer Spalte) auf diese Weise als Buchstaben, dann erhält man folgende Botschaft:

FLUCTUATIONS VIOLENT COMES OUR XMAS WISH TO YOU MAY YOUR NEXT YEARS UPS BE MANY MAY YOUR DOWNS BE VERY FEW

 

Punktchiffren

Ein Verschlüsselungsverfahren, bei dem die Buchstaben durch die Position von Punkten kodiert werden, nennt man Punktchiffre. Diese Form des Verschlüsselns ist gut geeignet, um einen verschlüsselten Text zu tarnen (in diesem Fall als Diagramm). Es handelt sich also in erster Linie um eine steganografische Methode.

Punktchiffren sind schon sehr alt und wurden im Laufe der Jahrhunderte in zahlreichen Varianten verwendet. Ein Beispiel dafür sind die Zeichnungen von Johannes Walch (1551-1623), über den ich 2016 gebloggt habe.

Quelle/Source: Bayerische Staatsbibliothek

Weitere Beispiele gibt es in meinem Buch “Versteckte Botschaften – Die faszinierende Geschichte der Steganografie”.

 

Die Punktchiffre von Lambros Callimahos

Vor ein paar Wochen habe ich über den NSA-Kryptologen Lambros Callimahos gebloggt. In seinem Buch “Military Cryptanalytics” ist folgende verschlüsselte Nachricht abgedruckt, die im Zweiten Weltkrieg zur Schulung von Zensoren verwendet wurde (die roten Markierungen stammen von mir):

Man braucht nicht viel Fantasie, um hier eine Punktchiffre zu vermuten. Callimahos schreibt in seinem Buch, dass man erkennen kann, dass vermutlich ein Text rückwärts und mit einer unregelmäßigenen Anordnung des Alphabets verschlüsselt ist.

Blog-Leser Rossignol aus Paris konnte das Rätsel schnell lösen. Ihm fiel auf, dass die letzten acht Punkte wie folgt lauten: H, G, F, E, D, C, B, A. Dies sind die ersten acht Buchstaben des Alphabets in umgekehrter Reihenfolge. Dies spricht dafür, dass der Verfasser des Kryptogramms den ersten Buchstaben des Klartexts als A definierte, den zweiten als B, den dritten als C und so weiter und dass er dann rückwärts verschlüsselte. Rossignol erstellte folgende Transkription (beginnend mit dem letzten Diagrammpunkt, dann der vorletzte usw.):

ABCDEFGHFIJBKCLKACEEGHFCMMNLDGDJL

Dieser verschlüsselte Text ist nicht eindeutig lösbar. Rossignol fand beispielsweise folgende Entschlüsselung:

WRAILE THE CORD AND WALL THE AMMUNITION

Deutlich wahrscheinlicher ist folgender Klartext, den Rossignol ermittelte:

PRAISE THE LORD AND PASS THE AMMUNITION

Dies ist der Titel eines patriotischen Lieds aus den USA. Glückwunsch an Rossignol für diese Dechiffrier-Leistung! Das Rätsel ist damit gelöst.

 

Die Punktchiffre von Guy de Cointet

Wie es der Zufall will, sind mir in letzter Zeit zwei weitere mutmaßliche Punktchiffren begegnet. Eine davon stammt aus dem Buch “A CAptain from Portugal”, über das ich unter anderem vorgestern gebloggt habe:

Quelle/Source: Reddit

Kann ein Leser diesen Geheimtext (falls es einer ist) lösen?

 

Die Geodaesia-Punktchiffre

Eine weitere Punktchiffre fand ich kürzlich per Google auf der Webseite der Rauner Special Collections Library, die zum Dartmouth College in New Hampshire (USA) gehört.

2014 bloggte die Rauner Library über ein Geodäsie-Buch aus dem Jahr 1796, in das handschriftlich zwei verschlüsselte Texte eingetragen sind. Der erste ist leicht zu entschlüsseln, da der Schlüssel angegeben ist. Der zweite Geheimtext sieht wie folgt aus:

Quelle/Source: Rauner Special Collections Library

Die Lösung ist anscheinend nicht bekannt. Kann ein Leser weiterhelfen?


Further reading: Wer knackt diesen verschlüsselten Brief eines Sklaverei-Gegners?

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Gelöst: Die verschlüsselten Briefe von Karl I. an seinen Sohn

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Meinen Blog-Lesern ist wieder einmal ein toller Erfolg gelungen: Norbert Biermann, Thomas Bosbach und Matthew Brown haben die verschlüsselten Briefe von Karl I. gelöst, die ich vor ein paar Wochen vorgestellt habe.

English version (translated with DeepL)

Der englische König Karl I. (1600-1649) war bis kurz vor seiner Hinrichtung etwa ein Jahr lang auf der Isle of Wight, einer Insel vor der englischen Südküste, inhaftiert.

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Wie man auf der Webseite von Satoshi Tomokiyo nachlesen kann, schrieb er von dort mehrere verschlüsselte Briefe an seinen Sohn. Ein weiteres Schreiben, das Satoshi aufführt, ging an den Adligen Edward Worsley.

Quelle/Source: British Library

 

Norbert, Thomas und Matthew finden die Lösung

Am 11. April 2021 habe ich die besagten Briefe auf meinem Blog vorgestellt. Norbert Biermann, den meine Leser längst als hervorragenden Codeknacker kennen, analysierte diese Kryptogramme und veröffentlichte seine Zwischenergebnisse als Kommentare zu meinem Artikel. Thomas Bosbach und Matthew Brown, ebenfalls keine Unbekannten auf diesem Blog, schlossen sich an. Als es zu umständlich wurde, die Diskussion über Blog-Kommentare zu führen, nahmen die drei miteinander Kontakt auf und tauschten sich fortan per E-Mail aus.

Mit Erfolg: Norbert, Thomas und Matthew konnten einen Nomenklator, den Karl I. für seine Briefe verwendet hatte, rekonstruieren. Damit konnten sie die Briefe vom 2. September, vom 3. Oktober sowie vom 6. und 7. November 1648 entschlüsseln. Die Briefe vom 1. August (an den Sohn) und vom 22. Mai (an Worsley) wurden dagegen mit einem anderen Nomenklator verfasst und bleiben daher vorläufig ungelöst.

Ich muss wohl nicht betonen, dass ich einmal mehr begeistert bin. Norbert, Thomas und Matthew haben etwas Tolles geleistet. Ich bin stolz, darüber auf meinem Blog berichten zu dürfen. Dazu muss ich mir noch nicht einmal viel aus den Fingern saugen, denn Norbert hat mir eine Beschreibung der Lösung geschickt, die keine Wünsche offen lässt – sogar inklusive englischer Übersetzung! Vielen Dank! So macht das Bloggen besonderen Spaß.

 

Vorbemerkungen

Norbert, Thomas und Matthew schreiben zu ihrer Lösung:

Beim Buchstabenteil des Nomenklators sind wir uns sehr sicher (Codegruppen 1 bis 90). Wegen der schönen Regelmäßigkeit konnten auch Codegruppen, die in den Briefen gar nicht vorkommen, zugeordnet werden (in der Übersicht grau dargestellt).

Der Wortteil eines Nomenklators aber kann normalerweise nicht komplett eindeutig rekonstruiert werden, und das gilt besonders, wenn so wenig Chiffrat zur Verfügung steht wie hier: es wird immer Codegruppen geben, die im Geheimtext selten auftauchen und bei denen verschiedene Zuordnungen möglich erscheinen. Im schlimmsten Fall kann jedoch ein falsch geratenes Wort den Sinn eines ganzen Absatzes völlig entstellen. Wir mussten deswegen sehr behutsam abwägen, ob unsere Annahmen sicher genug sind, und haben uns so gut wir konnten in den historischen Kontext eingearbeitet. Letztlich haben wir uns für ein „Ampel-System“ entschieden: grün markiert sind die Wörter, die wir für so gut wie sicher halten, gelb hingegen Vorschläge, die wir recht plausibel finden, ohne uns ganz sicher zu sein. Wörter, für die wir nur einen sehr spekulativen Vorschlag haben, sind rot markiert. Historiker sind bestimmt in der Lage, hier noch mehr Klarheit zu schaffen.

Hier ist der von Norbert, Thomas und Matthew rekonstruierte Nomenklator:

Quelle/Source: Biermann, Bosbach, Brown

 

Anmerkungen

Hier sind noch einige Anmerkungen der drei erfolgreichen Dechiffrierer:

  • Bei der Schreibweise einiger Wörter (wie „wai“ statt „way“) haben wir uns an Charles orientiert.
  • 9x: Eine Zeile im Brief vom 2. Sept. hört mit „9“ auf (über „uncertainty of“). Wir vermuten, dass hier eine Ziffer x abgeschnitten ist und dass es sich bei 9x um eine Null handelt.
  • 142 = Argyll: Archibald Campbell, 1st Marquess of Argyll, der in Schottland die sogenannte „kirk party“ anführte und der wichtigste Gegenspieler der „Engager“ in Schottland war. Würde hier gut passen, ist aber reine Vermutung.
  • 189 = Culpeper: John Colepeper, 1st Baron Culpeper of Thoresway, der ein Vertrauter und Berater sowohl von Charles I als auch von Charles II war. Wird im Brief vom 7. November im Klartext namentlich erwähnt, aber wir haben keine direkten Belege, dass er „189“ ist.
  • 278 = fleet: Prinz Charles verfügte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich über eine kleine Flotte (siehe z. B. hier, auf Englisch)
  • 334 = help: Hier könnte auch ein Ort bezeichnet sein, den Prinz Charles mit seiner Flotte ansteuern sollte.
  • 583 = Newport: Dieser Eintrag scheint als einziger nicht zur alphabetischen Sortierung zu passen. Wir halten es aber für möglich, dass Newport zusammen mit anderen Orten, die auf der Isle of Wight liegen (wie z. B. Carisbrooke Castle), unter W eingeordnet wurde.

 

Der historische Hintergrund

Norbert hat mir in seiner Mail außerdem folgende Hintergründe geliefert:

  • 14. November 1647: Charles I., der aus Hampton Court geflohen war, erreicht die Isle of Wight. Der dortige Gouverneur Robert Hammond lässt ihn auf Carisbrooke Castle festsetzen.
  • 26. Dezember 1647: Schottische Unterhändler unterzeichnen in Carisbrooke Castle das sogenannte „Engagement“, in dem u. a. Charles militärische Unterstützung zugesagt wird.
  • Januar 1648: Das englische Parlament beschließt, alle Verhandlungen mit dem König abzubrechen („Vote of No Addresses“).
  • Sommer 1648: Prinz Charles hat in Den Haag eine Affäre mit Lucy Walter.
  • 17.-19. August 1648: Die Armee der Engager wird in der Schlacht von Preston von Cromwell entscheidend geschlagen, was Charles zu erneuten Verhandlungen mit dem Parlament zwingt.
  • 2. September 1648: erster Brief von Charles I aus Carisbrooke Castle (mit Nachtrag vom 5. Sept.)
  • 18. September 1648: Beginn der Verhandlungen zwischen Parlament und König in Newport
  • 3. Oktober 1648: zweiter Brief (aus Newport); die Nachricht, dass Lucy Walters von Prinz Charles schwanger ist, hat offenbar bereits ihren Weg auf die Isle of Wight gefunden (sie wird am 9. April 1649 einen Sohn gebären, von Charles umgehend als sein Kind anerkannt).
  • 6./7. November 1648: dritter und vierter Brief (aus Newport)
  • 29. November 1648: Ende der Verhandlungen in Newport

 

Die Briefe im Klartext

Hier sind die vier entschlüsselten Briefe (dechiffrierter) Geheimtext in Blau. Die Art der Codierung wird durch Bindestriche angezeigt (z. B. kodiert Charles das Wort „then“ mit zwei Codegruppen, eine für “the” und eine für “n”; wir schreiben the-n). „Charles R“ steht für „Charles Rex“, also König Charles.

2. September 1648

Quelle/Source: British Library

Quelle/Source: Biermann, Bosbach, Brown

3. Oktober 1648

Quelle/Source: Google Books

Quelle/Source: Biermann, Bosbach, Brown

6. November 1648

Quelle/Source: British Library

Quelle/Source: Biermann, Bosbach, Brown

 

7. November 1648

Quelle/Source: British Library

Quelle/Source: Biermann, Bosbach, Brown

 

Fazit

Noch einmal vielen Dank an Norbert, Thomas und Matthew für diese Meisterleistung! Ich bin sicher, dass diese Entschlüsselungen auch für Historiker interessant sind. Wer es den dreien gleichtun will, kann sich ja auf die beiden noch unentschlüsselten Briefe stürzen. Viele Erfolg!


Further reading: The Top 50 unsolved encrypted messages: 34. Unsolved nomenclator messages

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Die verschlüsselten Inschriften von Pisa (2)

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Was bedeuten die fünf verschlüsselten Inschriften in Pisa und Umgebung? Heute kann ich die wahrscheinliche Antwort präsentieren.

English version (translated with DeepL)

Vorgestern habe ich über drei verschlüsselte Inschriften in Pisa gebloggt, die ich im Rahmen einer Italien-Reise besucht habe.

Wie ich erwähnt habe, gibt es noch zwei weitere Inschriften gleicher Art, die man in Barga und Pistoia findet. Alle drei Städte befinden sich in Italien, etwa auf halber Strecke zwischen Mailand und Rom. Barga und Pistoia sind jeweils etwa 50 Kilometer von Pisa entfernt.

Quelle/Source: Open Street Map

Weitere Informationen gibt es hier und hier.

 

Die Inschrift von Barga

Die erste Inschrift findet sich (gleich doppelt) am Dom von Barga. Sie ist rechts vom Hauptportal sowie rechts vom Nordportal angebracht.

Quelle/Source: Public Domain

Der Dom von Barga wurde im 11. Jahrhundert gebaut.

 

Die Inschrift von Pistoia

Inschrift Nummer 2 befindet sich an der Kirche San Pier Maggiore in Pistoia. Auch sie ist an der Außenwand neben dem Eingang angebracht (ob links oder rechts, ist mir nicht bekannt).

Quelle/Source: Public Domain

Die besagte Kirche in Pistoia wurde bereits um 798 gebaut. 1263 wurde sie restauriert.

 

Die Inschrift von Pisa (Museo di San Matteo)

Die dritte Inschrift stammt von der nicht mehr existierenden Kirche Santi Cosimo e Damiano in Pisa. Dort war sie auf dem rechten Türpfosten zu lesen. Heute steht der Steinblock mit der Inschrift im Museo San Matteo in Pisa.

Quelle/Source: Schmeh

Leider ist mir nicht bekannt, wann die genannte Kirche gebaut wurde.

Thomas Bosbach und Norbert Biermann haben den Text unter dem Kryptogramm untersucht. Er besagt wohl, dass zwei Handwerker namens Giovanni und Vernaccio das Portal rechtzeitig fertig gestellt haben und für den Stein mit der Inschrift verantwortlich sind. Vermutlich hat dieser Text nichts mit dem Kryptogramm zu tun.

 

Die Inschrift von Pisa (Chiesa di San Frediano)

Inschrift Nummer 4 befindet sich an der Außenwand der Kirche San Frediano, ebenfalls in Pisa.

Quelle/Source: Schmeh

Die Kirche San Frediano wurde 1061 erstmals erwähnt, die Fassade im frühen 12. Jahrhundert gebaut.

 

Die Inschrift von Pisa (Baptisterium)

Das mit Abstand bekannteste Gebäude, das eine solche Inschrift trägt, ist das Baptisterium unweit des Schiefen Turms von Pisa. Man findet die Symbole links von einem Eingang.

Quelle/Source: Schmeh

Das Baptisterium wurde von 1152-1394 gebaut.

 

Gemeinsamkeiten

Es gibt einige Gemeinsamkeiten zwischen den Inschriften:

  • Alle genannten Inschriften bestehen aus einer dreifach gegebenen Symbolfolge. Man kann sie mit ABCBDB ABCBDB ABCBDB transkribieren. Die Kreuze sind vermutlich Trennzeichen.
  • Alle Inschriften befinden oder befanden sich an der Außenwand einer Kirche, direkt neben einem Eingang.
  • Die besagten Kirchen wurden jeweils in der romanischen Epoche gebaut. Geht man davon aus, dass die Inschriften in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind und dass sie während der Bauphase der jeweiligen Kirche angefertigt wurden, kommt man etwa auf das Jahr 1200 als Entstehungszeit.
  • Alle Inschriften wirken wenig repräsentativ und gehörten vermutlich nicht zu den offiziellen dekorativen Elementen der jeweiligen Kirche.

 

Die Lösung

Cipherbrain-Leser Thomas Bosbach hat mich dankenswerterweise auf eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 hingewiesen, in der die (hoffentlich richtige) Lösung vorgestellt wird. Die Autorin heißt Daria Pasini. Inzwischen habe ich außerdem eine E-Mail von Erica Bagagli, einer Mitarbeiterin des Museums San Matteo, erhalten, in der die gleiche Erklärung geliefert wird.

Demnach steht die als ABCBDB transkribierte Symbolfolge für MIHILI. Dies ist eine damals gebräuchliche Schreibweise für den Namen „Michael“. Die Inschrift bezieht sich auf den Erzengel Michael, der in der katholischen Kirche als Beschützer vor dem Bösen gilt. Dadurch, dass sein Name dreifach am Eingang einer Kirche steht, sollen böse Mächte aus dem Gotteshaus ferngehalten werden.

Ist das Rätsel um die Inschriften damit gelöst? Vermutlich schon, denn die beschriebene Lösung klingt schlüssig. Ob sie tatrsächlich korrekt ist, kann ich mit meinen beschränkten kunstgeschichtlichen Kenntnissen leider nicht überprüfen. Klar ist aber, dass man der Verschlüsselung bis in die Neuzeit hinein oft auch eine magische Wirkung zusprach. Das würde hier passen.

Für den Fall, dass doch Zweifel aufkommen, möchte ich noch ein paar Gedanken vorstellen, die mir Paolo Bonavoglia, mit dem ich in Pisa unterwegs war, zuschickte (es handelt sich dabei wohlgemerkt nur um spontane Gedanken).

Quelle/Source: Schmeh

Wie Paolo recherchierte, stand das nach unten zeigende Dreieck für die menschliche Natur Gottes und damit für Jesus. Das erste Symbol, das wohl ein M darstellen soll, könnte für “Magister” (“Lehrer” stehen. Das “h” könnte “homo” (“Mensch”) und das umgedrehte “V” könnte “göttlich” symbolisieren. Die Interpretation der sechs Buchstaben wäre daher “Lehrer Jesus, Mensch Jesus, Gott Jesus”.

Unabhängig von der Bedeutung sind noch ein paar Fragen offen: Wann wurden die Inschriften geschaffen? Wer schuf sie? Gibt es weitere dieser Art? Hinweise nehme ich gerne entgegen.


Further reading: Selbstgedrehtes Video über die verschlüsselten Altarinschriften von Moustier

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Die verschlüsselten Tagebuch-Einträge von F. D. Roosevelt und Joseph W. Ely

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Heute geht es um einen prominenten und um einen unbekannten Tagebuchschreiber aus den USA. Beide nutzten Verschlüsselung.

English version (translated with DeepL)

Zu den schönen Dingen im Leben eines Krypto-Historiker gehört, dass man immer wieder Überraschungen erlebt. Genau das war wieder einmal der Fall, als ich kürzlich – wie schon oft – mit Hilfe von Google nach ungelösten Verschlüsselungen und sonstigen interessanten Geschichten für meinen Blog suchte.

 

Roosevelts Tagebuch

Bei einer meiner Suchanfragen stieß ich auf ein verschlüsseltes Tagebuch des späteren US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt. Von diesem Dokument hatte ich noch nie gehört. Dabei habe ich schon ziemlich oft nach Stichwörtern wie “encrypted diary” oder “encrypted journal” gesucht, ohne dass mir jemals ein Roosevelt-Tagebuch begegnet wäre.

Auch die kryptografischen Aktivitäten von bedeutenden Persönlichkeiten waren immer mal wieder ein Thema auf meinem Blog und in meinen Büchern – von Maria Stuart über Wallenstein bis zu US-Präsidenten wie Jefferson oder Kennedy. Doch auch in diesem Zusammenhang ist mir Roosevelt nicht als Krypto-Tagebuch-Schreiber untergekommen.

Gestoßen bin ich auf Roosevelts Tagebuch schließlich – Google sei Dank – auf einer Seite der Franklin Delano Roosevelt Foundation (wo sonst?). Dort gibt es einen Artikel mit dem Titel “FDR’s Secret Code” von Michael Weishan. In diesem ist von einem Tagebuch die Rede, das Roosevelt führte, lange bevor er US-Präsident wurde. Anscheinend sind einige Passagen darin verschlüsselt. Leider ist nur ein Beispiel abgebildet:

Quelle/Source: FDR Foundation

Das verwendete Verschlüsselungsverfahren ist nicht besonders schwierig: Es gilt 1=A, 2=E, 3=I, 4=O und 5=U. Die Konsonanten werden jeweils durch unvollständige Versionen des Buchstabens kodiert, beispielsweise ¬=T und –=H. Die verschlüsselte Passage lautet im Klartext wie folgt:

After lunch I have a never to be forgotten walk with my darling.” & “And I am going to New York next Sunday.

Roosevelt erwähnt hier also seine Geliebte (“darling”). Laut dem besagten Artikel war das auch der Grund, warum er diese Zeilen verschlüsselte: Seine Mutter sollte von dieser Liebe nichts erfahren.

Wie es aussieht, hat Roosevelt nur wenige Stellen in seinem Tagebuch verschlüsselt, weshalb man hier nicht von einem verschlüsselten Tagebuch sprechen kann. Es müsste aber dennoch noch mehr verschlüsselte Stellen geben. Weiß ein Leser etwas darüber?

 

Elys Tagebuch

Bei der gleich Suche stieß ich auf dem US-Portal “Country Roads” auf ein weiteres Tagebuch von einem US-Amerikaner. Dieser hieß Joseph W. Ely und diente als Soldat im US-Sezessionskrieg.

Auch Ely verschlüsselte einige seiner Einträge. Hier ist das einzige Beispiel, das in der Quelle (der Autor ist Terry L. Jones) genannt wird:

Quelle/Source: Country Roads

Wie im Artikel erwähnt, wurde hier eine Pigpen-Chiffre verwendet. Eine solche basiert in ihrer bekanntesten Form auf folgender Tabelle:

Quelle/Source: Schmeh

Joseph W. Ely verwendete jedoch eine andere Pigpen-Variante. Terry L. Jones schreibt, dass er die Verschlüsselung gelöst hat, doch er nennt keine Details. Kann ein Leser diese Tagebuch-Passage dechiffrieren?


Further readingWer knackt diese Verschlüsselung aus dem “Geheimen Tagebuch” von Johann Caspar Lavater

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Brief von Karl V. aus dem 16. Jahrhundert dechiffriert

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Französische Wissenschaftler haben einen Brief von Kaiser Karl V. entziffert. In der Presse wird dies als Sensation gefeiert.

English version (translated with DeepL)

Zunächst einmal möchte ich mich bei meinen Lesern für die zahlreichen Kommentare bedanken, die ich erhalten habe, nachdem ich vor ein paar Tagen die Einstellung dieses Blogs zum Ende des Jahres verkündet habe.

Gleich mehrere Leser haben mir Unterstützung angeboten, um den Blog auf einer anderen Plattform fortzuführen. Darüber freue ich mich natürlich. Das Problem ist leider, dass ich als Einzelkämpfer mit einem deutlichen Rückgang der Zugriffszahlen rechnen müsste. Als ich 2013 von meinem Einzelblog zu Scienceblogs.de umgestiegen bin, gingen die Zahlen auf das Zehnfache hoch. Selbst wenn ich konservativ rechne, würde ich bei einer Rückkehr zu einem Einzelblog wohl die Hälfte der aktuellen Leserschaft verlieren. Die anderen Scienceblogger sehen das ähnlich, und deshalb schrecken auch sie vor einem Alleingang zurück.

Ich werde aber in jedem Fall auch ab dem 1. Januar 2023 im Bereich Krypto-Geschichte und Codeknacken redaktionell aktiv bleiben. Ich überlege noch, wie genau das ablaufen könnte. Außerdem möchte ich natürlich, dass die bisher veröffentlichten Artikel erhalten bleiben. Da die anderen Scienceblogger das auch wollen, laufen gerade entsprechende Verhandlungen mit dem Portalbetreiber.

 

Der Brief von Karl V.

Auch zu einem anderen Thema haben mich einige Zuschriften erreicht, unter anderem von Michelle Waldispühl, Wolfgang Wilhelm, George Keller und Tobias Schrödel. Es geht darum, dass französische Wissenschaftler einen Brief von Karl V. entziffert haben.

Quelle/Source: Wikimedia Commons

Karl V. (1500-1558) war ein Angehöriger des Herrscherhauses Habsburg und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Er zählt zu den bedeutendsten Monarchen der europäischen Geschichte.

Wie man beispielsweise auf Golem nachlesen kann, stammt der besagte Brief au dem Jahr 1547. Karl V. schickte ihn an Jean de Saint-Mauris, seinen Botschafter in Paris. Heute wird das Schreiben in einer Bibliothek in Nancy aufbewahrt.

Quelle/Source: Stadt Nancy

 

Die Dechiffrierung

An der Dechiffrierung des Briefs war zum einen ein Team des Lorraine Computer Research Laboratory (Loria) in Nancy  beteiligt, das von der Kryptologin Cécile Pierrot geleitet wird. Frau Pierrot ist meines Wissens in der historischen Kryptologie bisher nicht in Erscheinung getreten. Anscheinend beschäftigt sie sich sonst mit moderner Kryptografie. Laut ihrer Webseite forscht sie hauptsächlich zum Thema diskrete Logarithmen, wie sie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Diffie-Hellman-Verfahren eine wichtige Rolle spielen.

Zur Dechiffrierung beigetragen hat außerdem die Historikerin Camille Desenclos, die ich von mehreren HistoCrypt-Konferenzen kenne. Sie hat bereits einige Arbeiten über historische Verschlüsselungen veröffentlicht und war daher prädestiniert für eine solche Aufgabe.

Auf Golem liest man außerdem:

  • Das verwendete Verfahren ist, wie zu erwarten war, ein Nomenklator. Dies wird zwar nicht wörtlich erwähnt, geht jedoch aus dem Text hervor.
  • Karl V. verwendete ein Alphabet bestehend aus 120 Symbolen.
  • Der Kaiser ersetze Vokale nach Konsonanten durch Zeichen. Mir ist leider nicht klar, was genau das bedeutet. Wurden Vokale, die auf Vokale folgten, gar nicht verschlüsselt? Das wäre ungewöhnlich.
  • Karl V. verwendete auch bedeutungslose Symbole. Das ist eine gängige Vorgehensweise für einen Nomenklator. Man bezeichnet bedeutungslose Zeichen als Blender.

Die Ersetzungstabelle findet man hier. Vielleicht schafft es ja ein Leser damit, eine Passage zu entschlüsseln.

Ich gehe davon aus, dass die beteiligten Wissenschaftler ihre Resultate demnächst ausführlich in einer Facharbeit präsentieren. Vielleicht erscheint diese als Beitrag zur HistoCrypt, deren Call for Papers Mitte November angelaufen ist. Da die HistoCrypt 2023 in München (und damit in Deutschland) stattfindet, freue ich mich besonders drauf.

In den Presseberichten wird diese Entschlüsselung als “Sensation” bezeichnet. Das ist natürlich übertrieben, denn meine Blog-Leser haben schon viele verschlüsselte Botschaften geknackt, die oftmals mindestens genauso schwierig waren wie diese. George Lasry konnte beispielsweise kürzlich 21 Erfolge auf einmal vermelden, die ähnliche Verschlüsselungen betrafen. Trotzdem ist den französischen Kollegen zweifellos ein toller Erfolg gelungen, zu denen ich ihnen gratuliere.

Interessant ist die die Dechiffrierung auch deshalb, weil der Verfasser des Briefs eine bedeutende Persönlichkeit war, über die man auf diese Weise zusätzliche Informationen gewinnen konnte. Anscheinend hatte Karl V. laut dem Brief Angst vor einem Attentat, zu dem es jedoch nicht kam.

Falls jemand mehr zu dieser Geschichte weiß, bitte ich um einen entsprechenden Kommentar.


Further readingUngelöst: Ein verschlüsselter Brief von Karl I. an einen Komplizen

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